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Agglomerationsprozesse in Deutschland

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In dieser Abhandlung sollen Binnenwanderungen von Arbeitnehmern zwischen verschiedenen Regionen innerhalb Deutschlands untersucht werden. Dabei werden unterschiedliche Qualifikationsniveaus der Arbeitnehmer berücksichtigt. Während ein überwiegender Teil der westdeutschen Regionen einen positiven Wanderungssaldo aufweist, kommt es in Ostdeutschland zu enormen Abwanderungen und nur vereinzelt zu Zuwanderungen. Zwischen den neuen und den alten Bundesländern bestehen enorme Wanderungsströme. Mit Hinblick auf das Qualifikationsniveau lässt sich feststellen, daß Wanderungen unterschiedlich stark ausgeprägt sind.

Die komplette Arbeit kann hier inklusive sämtlicher Erläuterungen, Abbildungen und Tabellen heruntergeladen werden. Passwörter werden auf Anfrage mitgeteilt.

Contents

1 Einleitung

Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist und wird auch vor dem Hintergrund der aktuellen Krise in den nächsten Jahren von einer enormen Veränderung beeinflusst. Der Anteil der Menschen, der Arbeit hat, wird weiter schrumpfen. Mit Blick auf die regionale Bevölkerungsentwicklung lässt sich erkennen, dass der demographische Wandel durch erhebliche Unterschiede gekennzeichnet ist.1 Während in Westdeutschland vor allem in dynamischen Wirtschaftsstandorten die Zahl der Erwerbspersonen weiter ansteigt, ist ein Rückgang in Ostdeutschland zu verzeichnen.2 Gründe dieser ökonomischen Unterschiede sind unter anderem die Wanderungen zwischen den einzelnen Regionen. Diese beeinflussen auch direkt das regionale Arbeitsangebot. Es sind aber auch Rückwirkungen auf die Nachfrage nach Arbeitskräften zu verzeichnen, da ausgehend durch den demographischen Wandel, Veränderungen auf die Wachstumsaussichten der Region ausgehen. Diese Veränderungen können so aussehen, dass durch die Wanderungen positive Effekte in der Zielregion und negative Effekte in der Heimatregion entstehen. Mobilitätsanreize der qualifizierten Arbeitskräfte hin zu den Zielregionen verstärken die negativen Effekte der Heimatregionen. Folglich nehmen Unterschiede in den regionalen Arbeitslosenquoten aufgrund der selektiven Wanderungen zu. Für die Region ist die qualitative Zusammensetzung der Wanderungsströme relevant. Die Zusammensetzung der Wanderer mit Humankapital beeinflusst entscheidend die Entwicklungsdynamik einer Region.3 Im Rahmen dieser Seminararbeit sollen die aktuellen Entwicklungen der Binnenwanderungen in Deutschland untersucht werden. Dabei wird das Augenmerk auf die Mobilitätsbereitschaft als auch auf die Qualifikation der Arbeitnehmer gelegt. Die Abhandlung unterteilt sich dahingehend, dass zunächst einige Begriffe definiert werden. Danach werden Fakten und Ergebnisse diskutiert.

2 Historischer Rückblick

In diesem Abschnitt werden die wichtigsten Ergebnisse zum Wanderungsgeschehen in Deutschland seit der Wiedervereinigung präsentiert. Besonderes Augenmerk wird in diesem Zusammenhang auf die Arbeitnehmer gelegt, die vom Osten in den Westen Deutschlands ziehen. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands erreichten die Wanderungsströme ein neues Niveau. Im Zeitraum zwischen 1989 und 2002 wanderten knapp 2,8 Millionen Ostdeutsche in die alten Bundesländer. Betrachtet man jedoch die Nettowanderungen, waren es lediglich 1,3 Millionen mehr, die von Ost nach West wanderten. Dies sind 7,5% der gesamten ostdeutschen Bevölkerung.4 Diese Wanderungen werden aufgrund der sehr unterschiedlichen Arbeitsmarktbedingungen hervorgerufen. Die Abwanderung fand aber nicht auf einem konstanten Level statt. Unmittelbar nach der Wiedervereinigung erreichte die Wanderbewegung der beiden Teile Deutschlands ihren Höhepunkt. Danach flachte die Wanderung ab und erhöhte sich abermals um die Jahrtausendwende. Diese Abflachung kann aufgrund des rasant wirtschaftlichen Aufholprozesses Ostdeutschlands und den regressionsbedingten Beschäftigungschancen im Westen zurückzuführen sein.

3 Humankapital

Unter Humankapital wird die Ausbildung und Erzielung von Leistungspotential der Arbeitskräfte verstanden. Es stellt also das Wissen und die Fähigkeiten der Personen dar, die in einem Unternehmen arbeiten, beziehungsweise in einer Region leben. Somit ist Humankapital das Wissenspool einer Volkswirtschaft. Humankapital kann zum einen durch aktives Lernen, also durch Ressourceneinsatz erworben werden. Hierunter versteht man beispielsweise den Besuch von Schulungen und Weiterbildungen der Arbeitnehmer. Zum Anderen kann Humankapital durch passives Lernen entstehen. Hierbei handelt es sich um Erfahrungen gut eingearbeiteter Arbeitnehmer, die durch ihr weitreichendes Wissen einen guten Beitrag im Produktions- oder Arbeitsprozess leisten. Von der Weltbank wird die Ausstattung mit Humankapital in High Skilled und Less Skilled unterschieden. Die durchschnittliche Ausbildungszeit für Arbeiter die als High Skilled bezeichnet werden können, beträgt 16 Jahre und mehr. Diese Art von Qualifikation schließt Fachleute, Wissenschaftler, Betriebsleiter, Buchhalter, Sozialarbeiter, Lehrer und Ingenieure mit ein. Ist jedoch die Ausbildungszeit weniger als 16 Jahre, handelt es sich um Low Skilled Workers. Zu dieser Berufsgruppe zählen Techniker, Sekretäre, Verwaltungshelfer, Kellner, Kassierer, Automobilmechaniker, Verkäufer und Polizisten.5 Auf Deutschland bezogen, besitzen Hochqualifizierte also einen Hochschulabschluss während gering qualifizierte Arbeitskräfte eine abgeschlossene Berufsausbildung besitzen.

4 Mobilität und Wandern

Wandern wird als Mobilität zwischen verschiedenen Regionen definiert. In dieser Abhandlung finden Bewegungen zwischen dem In- und Ausland keine besondere Berücksichtigung. Dennoch lässt es sich nicht vermeiden, an gegebener Stelle Bezug auf internationale Wanderungen zu nehmen. In erster Linie sollen an dieser Stelle die Ost- West-Wanderer, also jene Arbeitnehmer, die ihren Wohnort von Ostdeutschland nach Westdeutschland (oder umgekehrt) verlagert haben, untersucht werden. Dabei ist die Nettomigrationsquote von entscheidender Bedeutung. Diese bezieht sich auf den Wanderungssaldo, also die Nettobilanz aus Zu- und Abwanderungsströmen in einer Region.

Wanderungen können unterteilt werden in klein-, mittel- und großräumige Distanzen. So sind Wohnortwechsel innerhalb einer Stadt meist ohne Arbeitsplatzwechsel verbunden oder vice versa, ein Arbeitsplatzwechsel innerhalb der gleichen Stadt mit keinem Wohnortwechsel. Dennoch kann auch innerhalb einer Stadt zwischen bestimmten Wohngegenden unterschieden werden. Gründe für einen Wohnortwechsel liegen meistens in einer Preisdifferenz der ortsüblichen Wohnungsmieten oder beim Bauland. Hinzu kommt auch das infrastrukturelle Umfeld bzw. die Nachbarschaft. Einzelpersonen sind in der Regel eher bereit, größere Distanzen des Wohnortwechsels in Kauf zu nehmen um eine neue Arbeitsstelle antreten zu können. Familien hingegen haben oft nur einen begrenzten Radius des Wanderns zur Verfügung.

Schlömer verdeutlicht an dieser Stelle den Zusammenhang zwischen der Bereitschaft, den Arbeitsplatz zu wechseln und der damit verbundenen Distanz.6 Es wird deutlich, je geringer die Distanz zum Arbeitsplatz beträgt, desto häufiger finden Wanderungen statt. Impliziert dies, dass Arbeitnehmer infolgedessen großräumige Wanderungen vermeiden wollen und nur starke Wanderungsmotive vorliegen müssen, damit sie ihren Heimatort verlassen? Berry macht in diesem Zusammenhang auch auf die Qualifikation der Arbeitnehmer aufmerksam. Hochqualifizierte Arbeitnehmer beispielsweise fühlten sich eher von Regionen angezogen, in denen bereits hochqualifizierte Arbeitnehmer ansässig sind. Der Ansatz von Arntz geht in die gleiche Richtung, konzentriert sich jedoch weitestgehend auf die Regionen innerhalb Deutschlands.7 Auf die zahlreichen Effekte, die dieses Verhalten auslösen kann, wird im folgenden eingegangen. Auch ist zu beachten, dass Personen in der Regel dann wandern, wenn sie erwarten, dass der langfristige Nutzen des Wohnortwechsels größer ist als die damit verbundenen Kosten. Jedoch können die Kosten nicht vollkommen quantifiziert werden. Diese spiegeln sich unter anderem im Verlust des sozialen Umfelds sowie der regionalen Identität wieder. Als quantifizierte Gründe können hier die regionalen Lebenshaltungskosten genannt werden.

Ein weiterer Faktor ist das Alter des Arbeitnehmers. So sind Arbeitnehmer in bestimmten Lebenszyklen unterschiedlich mobil. Personen, die gerade in das Arbeitsleben einsteigen, sind in der Regel weitaus mobiler, als Arbeitnehmer, die bereits eine Familie gegründet und eventuell ein Haus gebaut haben. Die Gewichtung von Wandermotiven ist also altersbedingt und zudem vom Geschlecht abhängig. Während Frauen eine starke Affinität zum gebundenen Familienleben haben, ist Männern eher eine Karriereorientierung zuzuordnen.

5 Wanderungen von Arbeitnehmern in Deutschland

Die Wanderungsbewegungen der Arbeitnehmer in Deutschland sind durch erhebliche regionale Unterschiede gekennzeichnet. Während die Regionen in Westdeutschland einen konstanten Zuwachs erfahren haben, trifft dies auf die ostdeutschen Regionen auf gerade einmal jede sechste Region zu. Die Mehrheit der ostdeutschen Regionen hat in der Vergangenheit mehr Arbeitnehmer durch Wanderungen verloren als hinzugewonnen. Jedoch ist eine entgegengesetzte Tendenz rund um ostdeutsche Metropolregionen zu verzeichnen. In den ländlichen Regionen rund um Berlin übertrifft die Zahl der Zuwanderer enorm die Zahl der Abwanderer. Dies ist sicherlich auf die Anziehungskraft Berlins zurückzuführen. Da Wohnraum im Stadtkern enorm teuer geworden ist, weichen viele Arbeitnehmer auf umliegende Gemeinden mit einem niedrigeren Wohnpreisspiegel aus. Ein Effekt, den auch Berry in seinem Paper behandelt.8 Einige Regionen im Norden Mecklenburg-Vorpommerns weisen ebenfalls Wanderungsgewinne aus. Dies ist weitestgehend auf die Städte Rostock und Bad Doberan zurückzuführen. Auch Städte entlang der innerdeutschen Grenze haben mehr Zu- als Fortzüge verbuchen können. Diese Grenzregionen profitieren von der Suburbanisierung, also der Abwanderung aus den Kernregionen in das städtische, hier östliche Umland.

Indiesem Fall kommt es also zu Pendlerverflechtungen. Arbeitnehmer, die im Osten Deutschlands wohnen, nehmen eine Arbeit im Westen Deutschlands auf. Die diesbezüglichen Mobilitätskosten sind vergleichsweise gering und der günstige Wohnraum im Osten kann beibehalten werden.9 In Ostdeutschland sind Wanderungsgewinne also weitestgehend auf Stadt-Umland-Verflechtungen zurückzuführen. In Westdeutschland ist dies zwar auch vereinzelt der Fall, jedoch ist die Tendenz nicht so stark ausgeprägt wie im Osten Deutschlands. In Süddeutschland sind im Großraum München enorme Wanderungsgewinne zu verzeichnen.

Das Wanderungsgeschehen ist zwar enorm von einem Ost-West-Verkehr gezeichnet, lässt sich jedoch nicht ausschließlich darauf reduzieren. Insgesamt wandern jedoch mehr Arbeitnehmer aus dem Osten ab als zuwandern.

6 Wanderungsentscheidungen aus ökonomischer Sicht

Wanderung ist ein Ergebnis des rationalen, nutzenmaximierenden Verhaltens der qualifizierten als auch unqualifizierten Arbeiter. Die Wanderung ist jedoch nicht ausschließlich von der Entscheidung des Individuums abhängig. Verschiedene Umwelteinflüsse unterstützen oder verhindern eine Wanderabsicht. Die Entscheidung zu wandern kann nicht nur als individuelle Nutzenmaximierung sondern als strategisches Verhalten einer Gemeinschaft, insbesondere einer Familie verstanden werden. Gerade bei Großfamilien in Schwellenländern wird das Wandern einzelner Familienmitglieder als Risikovermeidung angesehen.10 So beschließt die Familie im Sinne der Risikoverteilung, dass einzelne Familienmitglieder wandern und Erfahrungen sammeln. Dies ist mit der Streuung von Risiken auf den Aktienmärkten zu vergleichen. In der Anfangs- oder Ausbildungsphase versichert die Familie den Einzelnen gegen Arbeitsplatzrisiken. Danach versichert der Ausgewanderte die Familie gegen zukünftige Risiken. Ein erfolgreich etablierter Wanderer kann andere Mitglieder der Gruppe nachziehen und ihnen den Einstieg in die neue Region somit erleichtern. Für die Gruppe oder Familie ergeben sich in dieser Konstellation Kostensenkungspotentiale, denn schlechtere Regionen können durch bessere Regionen ausgeglichen werden.11

Der Wanderungsanreiz ist aufgrund der Lohnstrukturen zwischen verschiedenen Regionen dann am sinnvollsten, wenn sich ein positiver Unterschied in der Entlohnung ergibt. Werden jedoch asymmetrische Informationen mit einbezogen, kann dies zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Unter Beachtung vollständiger Information der Heimat- und Zielregion ist die Annahme zu treffen, dass beide Seiten sowohl über das Lohnniveau als auch von Arbeitgeberseite über das Qualifikationsprofil des Arbeitnehmers voll informiert sind. Folglich wandern jene qualifizierten Arbeitnehmer, für die sich eine positive Differenz zwischen dem Lohn- und Zielland ergibt.

In Abbildung 112 sind sämtliche Qualifikationen rechts vom Schnittpunkt Q* angesiedelt. Es wird angenommen, dass die Lohnstruktur der Zielregion stärkere Unterschiede aufweist als die Lohnstruktur der Heimatregion und dass das abdiskontierte Lohnniveau der unteren Qualifikationsgruppen im Herkunftsland geringer ist als das entsprechende Lohnniveau der Zielregion.13 Unter realen Bedingungen ist es jedoch wahrscheinlich, dass Informationsasymmetrien bezüglich der Qualifikationen und Lohnniveaus zwischen der Herkunfts- und Zielregion existieren. So wissen die Wanderer genau über ihr Ausbildungsniveau bescheit, während sich der zukünftige Arbeitgeber nur unzureichend über das Qualifikationsprofil des zukünftigen Arbeitnehmers informieren kann. Es ist also davon auszugehen, dass Arbeitgeber sich nach Erfahrungswerten beziehungsweise anhand des durchschnittlichen Qualifikationsniveaus bisheriger Wanderer richten.14 Es wandern also vor allem die Arbeitnehmer rechts von Q*, da für sie der größte Nutzen entsteht. Folglich orientiert sich die Entlohnung zunächst an der höher qualifizierten Gruppe und sinkt mit jedem zusätzlichen Wanderer, der in die Zielregion einwandert, ab. Abbildung 215 zeigt den Verlauf einer Lohnkurve bei asymmetrischer Information und unter der Bedingung, dass für die höchste Qualifikationsgruppe der stärkste Wanderungsanreiz besteht.

Es zeigt sich, dass Wanderungsanreize nicht mehr für ausschließlich höher qualifizierte Arbeitnehmer beschränkt sind. Wanderungen sind für alle Qualifikationsniveaus anreizend. Somit ergibt sich ein anderes Ergebnis als unter der Annahme vollständiger Information.16 Des Weiteren ist davon auszugehen, dass Wanderer zum Zeitpunkt ihrer Wandererscheinung keine genauen Informationen hinsichtlich ihrer Entscheidung haben. Folglich kann es sein, dass Arbeitnehmer bei unvollständiger Information auch dann wandern, wenn der zu erwartende Gegenwert der Wanderinvestition negativ ist.

7 Wanderungen und Bevölkerungswachstum

Bevölkerungsentwicklung wird als die Veränderung der Bevölkerung in einer Region verstanden. Hier dient die Wachstumsrate der Bevölkerung als statistisches Maß, wobei die prozentuale jährliche Zu- oder Abnahme als Maßindex gilt. Abhängig ist die Bevölkerungsentwicklung in einer Region aber auch von der Geburten- und Sterberate als auch von den Zu- und Abwanderungen von Arbeitnehmern. Letztere sollen näher beleuchtet werden.

Im Zusammenhang mit dem Anstieg der Wirtschaftstätigkeit in einer Region spielt die Bevölkerungsentwicklung bzw. das Bevölkerungswachstum unter zwei Gesichtspunkten eine bedeutende Rolle. Zum Einen verändert sich das Arbeitsangebot auf dem Arbeitsmarkt, zum Anderen impliziert Bevölkerungswachstum die Zunahme der Anzahl zu versorgender Menschen.17 Ein schnelles Bevölkerungswachstum in einer Region kann der örtlichen Wirtschaft auch Impulse geben. Diese kommen nach Wander jedoch erst dann zum tragen, wenn sich eine Wirtschaft bereits mitten im Wachstumsprozess befindet.18

Neuere Modelle befassen sich mit den eng verbundenen Determinanten der Humankapitalbildung und des Bevölkerungswachstums. Beide Faktoren stehen auch in Abhängigkeit zum Wirtschaftswachstum einer Region. In diesem Zusammenhang spielen Hochschulen eine entscheidende Rolle. Das Bevölkerungswachstum einer Region wird außerdem von der Fertilitätsrate19 bestimmt. 20 Gängige Erklärungsmodelle gehen hierbei von einer Beziehung zwischen Bildung und Fertilität aus. Dieser ergibt sich unter anderen auch aus dem Effekt der Bildung der Eltern auf die gewünschte Humankapitalinvestition der Kinder.21 Becker und Barro bilden einen Ansatz unter der Annahme, dass Eltern und Kinder durch Altruismus22 verbunden sind. Der Nutzen der Eltern wirkt sich positiv auf den Nutzen ihrer Kinder aus. Die Erziehung der Kinder verursacht Kosten, die durch zusätzlichen Nutzen, den die Eltern durch ihre Kinder verspüren, ausgeglichen wird. Dies kann einerseits durch die Qualität, andererseits durch die Quantität der Kinder geschehen.23

Becker stellt dar, dass die Kosten der Kindererziehung tendenziell mit den Lohnsätzen der Eltern zusammenhängt.24 Dieser Aspekt wird auch von Stiglitz betont. Bei einer rein rationalen Betrachtungsweise eines Paares bezüglich Anzahl der Kinder werden die Opportunitätskosten der Zeit, die die Eltern mit Arbeitszeit verbringen könnten, gemessen. Demnach wird die Höhe des erwarteten Einkommens in den Vordergrund gestellt.

8 Wanderungen und Humankapital

Verschiedene Erklärungsansätze untersuchen die Wanderungen der Arbeitnehmer mit verschiedenen Qualifikationsniveaus. In der Regel verspüren Personen mit höherem Bildungsabschluss einen Wanderungsanreiz wenn die Einkommensungleichheit in der neuen Region höher ist als am Herkunftsort. Hier entsteht infolge dessen jedoch eine Unterbesetzung von qualifizierten Arbeitnehmern in der Heimatregion.

Nachfrage nach Humankapital kann nur in Regionen stattfinden, in denen sich Unternehmen und / oder staatliche Institutionen wie beispielsweise Universitäten oder Forschungseinrichtungen angesiedelt haben. Es bilden sich also Standortschwerpunkte heraus, die weitere Unternehmen und Arbeitnehmer anlocken. Betrachtet man die Entwicklungen in Deutschland, so ist zu erkennen, dass sich Schwerpunkte tendenziell im Westen und Süden Deutschlands angesiedelt haben.

Die nach der Wende in Deutschland eingeleiteten staatlichen Subventionen konnten auch nach zwanzig Jahren lediglich vereinzelte Erfolge anzeigen. In diesem Zusammenhang können Automobilzulieferer und Teile der Chemieindustrie genannt werden. Gegenden wie Mecklenburg Vorpommern haben immer noch mit starken Problemen zu kämpfen und sind eher landwirtschaftlich aufgestellt.

Die Leistungen der Arbeitskräfte unterscheiden sich in Bezug auf ihr Qualifikationsniveau erheblich. Dessen bewusst, investiert ein nach höherem Einkommen strebender Mensch zunächst in seine Ausbildung, um dann seinen Wert am Arbeitsmarkt zu erhöhen und diesen langfristig für Einkommen zu verkaufen. Er will also durch seine zuvor geleistete Qualifikation höhere Einnahmen erzielen. Die Investition von Zeit und Geld generiert nützliches und wertvolles Wissen und hat den Menschen somit zu einem besonderen Faktor Arbeit gemacht; menschliches Kapital wurde aufgebaut.25

Heute ist zahlreich belegt, dass es eine Verknüpfung zwischen Investition in Humankapital und Wachstum gibt, bzw. dass der Faktor Humankapital einen positiven Effekt auf das Einkommensniveau und das Wirtschaftswachstum hat.26 Da Humankapital Wissen und Fähigkeiten darstellt und die ökonomische Entwicklung von den Fortschritten im technologischen als auch wissenschaftlichen Bereich abhängt, hängt folglich auch die Entwicklung von der Speicherung des Humankapitals ab. Amerikanische Regionen liefern hierfür zahlreiche Belege. So stiegen die Bruttoinvestitionen in die schulische Ausbildung zwischen 1910 und 1950 schneller als die Bruttoinvestitionen in physisches Kapital. Man stellte in diesem Zusammenhang fest, dass das Wachstum in die schulische Ausbildung einen enormen Anteil des Anstiegs des Pro Kopf Einkommens in den USA während dieser Periode erklärte.27 Der Staat kann durch bildungspolitische Maßnahmen die wirtschaftliche Entwicklung einer Region beeinflussen. Jedoch darf man auch bei dieser Überlegung nicht außer Acht lassen, dass bildungspolitische Maßnahmen auch von deren Höhe und Intensität abhängen.

Humankapital findet eine besondere Berücksichtigung in der Humankapitaltheorie. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass der ökonomische und gesellschaftliche Erfolg von den qualitativen Eigenschaften der Arbeitnehmer abhängt. Es wird von einer gesamtwirtschaftlichen Auswirkung einer verbesserten Bildung ausgegangen. Dabei kommt unter anderem eine Kosten-Nutzen-Analyse zum Einsatz.

Menschen wandern aus einer Kosten-Nutzen-Analyse heraus. Der Nutzen errechnet sich aus der Differenz zwischen dem Einkommen am bisherigen Arbeitsplatz und dem erhofften Einkommen am zukünftigen Arbeitsplatz abzüglich der Transportkosten. Je höher die Einkünfte des neuen Ortes über den derzeitigen liegen und je jünger der Arbeitnehmer ist und je kleiner die Kosten der Wanderung sind, desto eher wird sich dieser zur Wanderung entscheiden. So lässt sich nach der Humankapitaltheorie der Nutzen um so mehr erhöhen, je mehr der Arbeitnehmer seinen Wissensstand den zukünftigen Anforderungen des Arbeitsplatzes anpassen kann. Die Entwicklung von Industrieländern zieht eine stetig ansteigende Nachfrage an hochqualifizierten Arbeitnehmern nach sich. Dabei stehen Arbeitnehmer mit einem niedrigen Qualifikationsniveau einem stetig schrumpfendem Arbeitsmarkt gegenüber. Haas und Möller28 belegen in Ihrer Studie, dass Tätigkeiten mit mittlerem und hohem Anspruchsniveau auch weiterhin an Gewicht gewinnen, während Arbeiten für Niedrigqualifizierte abnehmen.

9 Wanderungsbewegungen nach Humankapitalausstattung in Deutschland

Als wichtiger Punkt der Wanderungen innerhalb Deutschlands und der damit ökonomischen und sozialen Effekte ist die Befürchtung, dass zu viele gut ausgebildete Arbeitskräfte vom Osten in den Westen Deutschlands übersiedeln. Abbildung 5 29 zeigt Nettowanderungsquoten in Deutschland über alle drei betrachteten Qualifikationsstufen hinweg.

Es wird in diesem Zusammenhang deutlich, dass die hoch qualifizierten Arbeitnehmer nicht die höchsten Wanderungsabsichten zeigen. Die höchste Wanderungsquote ist bei den gering qualifizierten Arbeitnehmern zu sehen. In Westdeutschland sind alle drei Wanderungsquoten positiv. Die in Abbildung 5 gezeigten Wanderabsichten bezüglich der Qualifikation sind sehr erstaunlich, da aus theoretischer Hinsicht gerade Akademiker bessere Chancen haben, hohe Wanderungsgewinne zu verwirklichen und deshalb eine höhere Mobilitätsneigung aufweisen. In diesem Punkt unterscheidet sich das BeH30 von den Analysen Christopher Berrys, der hochqualifizierten Arbeitnehmern eindeutig höhere Mobilitätsabsichten zuspricht. Nach Aussage der BeH haben zwischen den Jahren 2000 und 2006 etwa 38000 hochqualifizierte Beschäftigte die ostdeutschen Bundesländer verlassen und sich in westdeutschen Regionen angesiedelt. Die entgegengesetzten Wanderungen sind allerdings auch beachtlich, da in etwa 29000 hochqualifizierte Arbeitskräfte den Weg in ostdeutsche Regionen angetreten haben. Dies ergibt jedoch eine Nettodifferenz von 9000 hoch qualifizierten Arbeitnehmern, die vom Osten in den Westen übergesiedelt sind.

Bei den gering qualifizierten Arbeitnehmern ist die Wanderungsabsicht in der Differenz stärker ausgeprägt. So verließen achtzehntausend Menschen ihren Wohnsitz um in westdeutsche Regionen zu ziehen. Der gegenläufige Strom betrug achttausend sodass ein Nettowanderungsstrom von zehntausend als Differenz zu verzeichnen ist. Daraus lässt sich schließen, dass geringer qualifizierte Arbeitnehmer andere Arbeitsbedingungen in den einzelnen Regionen vorfinden. Die Chancen eine Arbeit zu finden, sind für gering qualifizierte Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern schwächer ausgeprägt. Dies begründet ihre Entscheidung der Wanderungsabsicht. In diesem Zusammenhang errechneten Reinberg und Hummel (2004) eine Arbeitslosenquote für gering qualifizierte Arbeitnehmer in Ostdeutschland von vierzig Prozent. Wohingegen die entsprechende Quote in Westdeutschland mit vierundzwanzig Prozent immer noch hoch erscheint, jedoch im Vergleich zu Ostdeutschland wesentlich geringer ausfällt. Die Beschäftigungschancen der Ungelernten haben sich in Westdeutschland aufgrund von Veränderungsprozessen durch hoch qualifizierte Arbeitnehmer deutlich verbessert.31 Diese Meinung vertritt auch Berry in seinem Paper, indem er am Beispiel des amerikanischen Arbeitsmarkts aufzeigt, dass hochqualifizierte Arbeitnehmer weitere hochqualifizierte Arbeitnehmer anziehen. Jedoch würden diese auch Voraussetzungen dafür schaffen, weitere geringqualifizierte Arbeitnehmer anzuziehen. Dies könnte zum Beispiel durch Innovationen gesehenen. So könnten hochqualifizierte Arbeitnehmer Innovationen für geringqualifizierte Arbeitnehmer entwickeln, damit diese Arbeit haben. Dies sei darauf zurückzuführen, da die Hochqualifizierten die Arbeitsabläufe der Geringqualifizierten kennen. Geringqualifizierte hingegen könnten keine Innovationen für Hochqualifizierte entwickeln, da sie deren Arbeitsabläufe nicht kennen.32

10 Verteilung des Humankapitals

In der Gesellschaft wird Humankapital in zwei Kategorien aufgeteilt. Es gibt einerseits den von Schumpeter dargestellten Entrepreneur, wobei eine Volkswirtschaft hauptsächlich durch ihn bestimmt ist. Andererseits gibt es qualifizierte Fachkräfte, also Arbeitnehmer, die die Outputs der Entrepreneure verwalten und verwenden. Diese Verteilung ist vom Wohlstand einer Volkswirtschaft abhängig. Eine Volkswirtschaft mit mittlerem Einkommen benötigt einen höheren Anteil an neuen Unternehmern als eine weiterentwickelte Gesellschaft, welche einen höheren Bedarf an Managerfähigkeiten hat.

Mit der wirtschaftlichen Entwicklung steigen die Löhne besonders bei qualifizierten Arbeitnehmern. Die Entscheidung, ob ein Arbeitnehmer in sein Humankapital investiert oder ob er eine unqualifizierte Arbeitskraft bleiben will, wird maßgeblich vom Wohlstand der Region beeinflusst. Findet eine wirtschaftliche Weiterentwicklung in einer Region statt, steigen die Einkommen der hochqualifizierten Arbeitnehmer stärker und schneller als die der einfachen Arbeitskräfte. Der Anreiz eine höhere Qualifikation zu erreichen verstärkt sich also zunehmend. Gleichzeitig steigt somit die Humankapitalrate der Region.33

Betrachtet man die Faktoren von Humankapital während einer Gründung, lassen sich bezüglich des Gründungserfolgs personengebundene Faktoren erklären, die direkt mit der Qualifikation der Arbeitnehmer zu tun haben. In den neunziger Jahren wurden über 900 Firmengründungen ausgewertet.34 Die Ergebnisse dieser Untersuchung belegen, dass das Niveau der Qualifikation der Arbeitnehmer entscheidend ist für den Gründungserfolg. Wurde beispielsweise eine betriebliche Ausbildung oder eine Meisterausbildung vollzogen, fielen die Erfolgsaussichten enorm geringer aus als bei einer Gründung von Hochschulabsolventen. Dies hängt jedoch auch mit der Struktur der Betriebe zusammen. Während Meisterbetriebe vornehmlich kleinbetrieblich ausgerichtet sind, werden Gründer mit Hochschulabschluss eher wachstumsorientiert agieren. Dadurch entsteht ein höheres Erfolgspotential. Ebenfalls werden Hochschulabsolventen aufgrund ihrer effektiveren Lernkurve ihre Marktchancen besser erkennen können. Es wird schneller expandiert und somit fällt das Beschäftigungswachstum stärker aus. Hoch ausgebildete Akademiker werden fast ausschließlich von Unternehmern mit Hochschulabschluss eingestellt. Die Kombination von Fähigkeiten und Qualifikationen ist gerade bei Unternehmensgründungen entscheidend. Dies ist ein Grund, warum ein hoher Anteil von Akademikern in einer Region weitere Akademiker anzieht. Melanie Arntz beschreibt in ihrem Paper, dass mehrere europäische Untersuchungen belegen, dass hochqualifizierte Arbeitnehmer oftmals in dicht besiedelte Regionen ziehen, wo bereits hochqualifizierte Menschen leben.35 Einkommensunterschiede sind laut Arntz zusätzlicher Grund für diese Wanderungen. Hierbei sind überregionale Wanderungen für hochqualifizierte Arbeitnehmer eher von Bedeutung. Für niedrig qualifizierte Arbeitnehmer sind hingegen regionale Wanderungen ausschlaggebend. In den 1990er Jahren verspürte Ostdeutschland einen enormen brain drain36 welcher heute noch anhält und der Hauptgrund für die Entstehung des Hinterlandes in Deutschland darstellt. Die Abwanderung aus den östlichen Regionen impliziert Zuwanderungen in westliche Regionen. Gerade die High Potentials sind hierbei von enormer Wichtigkeit für das schnelle Wachstum in dieser Region.

Hochqualifizierte Arbeitnehmer entschließen sich also, sich ihre Humankapitalinvestitionen vergüten zu lassen,während niedrigqualifizierte Arbeitnehmer eher dazu neigen in Regionen mit einem niedrigeren Einkommensniveau zu ziehen, um vor dem Hintergrund der Lebenshaltungskosten günstigere Bedingungen zu haben.

Hunt und Müller haben diesbezüglich ein Modell aufgestellt, indem der hochqualifizierte Arbeitnehmer nicht ausschließlich auf das Einkommen schaut, sondern auch auf die Region und darin was sie an Annehmlichkeiten, sogenannten utilities, zu bieten hat. Jede Region bietet ein Bündel von Eigenschaften wie Klima, Konsummöglichkeiten, Infrastruktur aber auch Umweltverschmutzung und Kriminalitätsraten. Die diesbezüglichen Vor- und Nachteile einer Region sind also auch in dieser Hinsicht abzuwägen.

Jedoch überwiegen in diesem Zusammenhang die Vorteile mit dem Anstieg des Humankapitals in einer Region. Folglich verringert sich die Kriminalitätsrate und die Arbeitslosigkeit. Brückner u.a. argumentieren, dass eine geringe Steigerung der regionalen Gegebenheiten sich sofort positiv auf das Humankapital auswirkt. Hunt und Mueller zeigen auf, dass eine höhere Infrastrukturausstattung mehr Humankapital in die Region lockt. Deshalb sind die Zuwanderungskosten für die Arbeitnehmer geringer. Schaut man auf Europa, so sehen Ritsilä und Ovaskainen dass hier parallele Verhaltensweisen zu beobachten sind. Am Beispiel von Finnland zeigen die Autoren auf, dass hochqualifizierte Arbeitnehmer tendenziell in Regionen mit einem hohen Beschäftigungsniveau ziehen. Arntz versucht nun die Lücke zwischen den Motiven, welche nicht einkommensbezogen sind und denen die einkommensbezogen sind, am Beispiel von Deutschland zu füllen. Arntz unterscheidet hier auch zwischen Arbeitnehmern, die den Job wechseln, sogenannte job to job movers und solchen, die aus einer Arbeitslosigkeit heraus einen neuen Job annehmen. Job to job movers nutzen eher Netzwerke, um ihre Karriere voranzutreiben. Sie sind somit eher karriereorientiert und bereit in eine andere Region zu ziehen als Arbeitnehmer aus der Arbeitslosigkeit. Arntz unterscheidet die Job movers wie folgt:

Job-to-job change (JJC): Hiermit sind Arbeitnehmer gemeint, die eine neue Arbeitsstelle innerhalb von 90 Tagen angenommen haben, nachdem ihre alte Anstellung beendet wurde.

Job change after unemployment (UJC): Hier ist eine vorübergehende Arbeitslosigkeit gemeint, die ebenfalls nicht länger als 90 Tage dauert. Job Change after all other states (REST): hier werden zwei unterschiedliche Typen von Jobwechslern unterschieden. Zum einen mit einer Lücke mit mehr als 90 Tagen der Arbeitslosigkeit und zum anderen Jobwechsler mit längeren Lücken der Arbeitslosigkeit und solche, die aus anderen Arbeitsmärkten heraus kommen, wie beispielsweise Selbstständigkeit.

Desweiteren unterscheidet Arntz zwischen verschiedenen Ausbildungsleveln. So werden hochqualifizierte Arbeitnehmer und unterqualifizierte Arbeitnehmer voneinander getrennt. In Deutschland haben nach Arntz etwa 10% aller Menschen einen Hochschulabschluss. Arntz teilt Deutschland in Nord, Mittel, Süd und West auf. Dies ist insoweit sinnvoll, da sich diese Regionen erheblich in ihrem Beschäftigungsniveau unterscheiden. Besonders Ostdeutschland ist von einem enormen Arbeitslosigkeitsprobem als auch von einem Verarmungsproblem gezeichnet. Vor allem Mecklenburg Vorpommern ist der Armut Spitzenreiter in Deutschland. 24,3 Prozent der Bürger leben dort unter der Armutsgrenze. Viele Regionen im Osten werden also im Kampf um Arbeitsplätze als auch im Kampf um hochqualifizierte Arbeitskräfte abgehängt. Letztendlich werden Konjunkturprogramme in diesen Regionen Milliarden verschlingen, wenn nicht gegen gesteuert wird. So ist in den Ostregionen der Armenanteil besonders hoch. Dies belegt auch Arntz in ihrem Artikel indem sie die vier Macro Regionen unterteilt. So stellt sie eine Arbeitslosenrate von 18 Prozent im Osten fest, wohingegen nur eine 6,1 prozentige Arbeitslosenrate im Süden vermerkt ist.37

Arntz stellt Wanderungen zwischen den vier Regionen gegenüber. Die Wanderungen in den Osten und Norden sind geringer als die gegenläufigen Wanderungen in den Süden und den Westen. Verbunden damit stellt Arntz auch die Job-Matching-Muster gegenüber. Deutlich ist hier, dass hochqualifizierte Arbeitnehmer eher bereit sind, einen Wohnortwechsel in Kauf zu nehmen als niedrig qualifizierte Arbeitnehmer. Während die qualifizierten Arbeitnehmer zwei bis viermal eher in eine westlich bzw. südliche Region ziehen würden als unqualifizierte Arbeitnehmer, sind die Wanderabsichten von hoch und niedrigqualifizierten Arbeitnehmern von West nach Ost gleich hoch. Tabelle 138 stellt eine Verteilung der interregionalen Job Wanderer in Deutschland gegenüber. Sie verdeutlicht die Verteilung von hochqualifizierten Arbeitnehmern bezüglich ihren Wandermotiven im Vier-Regionen-Fall. Arntz veranschaulicht, dass 24,5% sämtlicher interregionaler Job Wanderer zu hochqualifizierten Arbeitnehmern gehören. Jedoch ist auch in dieser Tabelle zu sehen, dass enorme Unterschiede in den Wanderrichtungen bestehen. Auch hier ist zu sehen, dass die Wanderungen in den Norden und Osten geringer ausfallen als Wanderungen in den Westen und in den Süden. Jedoch haben Regionen mit einer hohen Zuwanderungsrate auch eine hohe Abwanderungsrate und umgekehrt. Es ist also davon auszugehen, dass die meisten Wanderungen zwischen dem Süden und dem Westen von statten gehen. Dies soll jedoch nicht aussagen, dass ausschließlich Wanderungen aus den nördlichen und östlichen Regionen in die westlichen und südlichen Regionen verlaufen. Die Tendenz in Letztere ist jedoch stärker.

Tabelle 2 39 zeigt nun die Wanderungsbewegungen und die Veränderungen nach Qualifikation der Arbeitnehmer innerhalb des Vier-Regionen-Falls an. Zu sehen ist, dass der Süden und der Osten positive Zuwanderungsraten qualifizierter Arbeitskräfte hat. Der Süden hat hier mehrere Zuwachsraten an hochqualifizierten als an unqualifizierten Arbeitnehmern. Überregionale Wanderer beabsichtigen also eher in Regionen zu ziehen, die ein höheres Beschäftigungsniveau haben. Sie ziehen also Regionen mit hohem Beschäftigungsniveau vor. Niedrigqualifizierte Arbeitnehmer hingegen meiden aufgrund ihrer geringeren Löhne diese Regionen, da sie die Lebenshaltungskosten, insbesondere die Mietpreise dieser Regionen nicht finanziell tragen können. Dr. Christopher Berry, Assistenzprofessor an der Harris School Chicago untersuchte in seinem Paper The Divergence of Human Capital Levels across Cities den Zusammenhang von Regionalen Aspekten in der Wohnraumwahl mit dem jeweiligen Bildungsstand der Bevölkerung. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass Wachstum in Regionen mit einer hohen Rate von College Abschlüssen zusammenhängt. Dem Humankapital in einer Gemeinde wird infolge dessen eine besondere Bedeutung bezüglich der wirtschaftlichen Leistung zugemessen.

Dr. Berry unterscheidet fünf verschiedene Sektionen, in denen er, dargestellt über einen Zeitraum von dreißig Jahren, aufzeigt, wie der Anteil der Erwachsenen mit hohem Bildungsabschluss einhergeht mit dem Anstieg der Bevölkerung. Dabei differenziert er bereits zu Anfang dass, im Gegensatz zu traditionellen regionalen Modellen, neue Unternehmer zumindest für eine Zeit unbeweglich sind. Die Kernaussage Berry’s besteht darin, dass die Anzahl der Neugründungen in funktionalem Zusammenhang mit der Anzahl der hoch qualifizierten und minder qualifizierten Personen steht. Er unterliegt der Annahme, dass tendenziell Unternehmer, die selbst einen hohen Bildungsabschluss erlangten, ebenfalls hoch qualifizierte Mitarbeiter einstellen. Dies erklärt, warum hoch qualifizierte Arbeitnehmer in hoch qualifizierte Regionen übersiedeln, in denen bereits ein großer Anteil an hochqualifizierten Arbeitnehmern vorhanden ist. Unqualifizierte Arbeitnehmer haben dadurch einen Nachteil, indem sie durch die ansteigenden Lebenshaltungskosten, wie Erhöhung der Mietpreise, in ärmere Wohngegenden ziehen müssten. Einschlägige Beobachtungen konnten diesbezüglich bereits im Silicon Valley gemacht werden. So liegen die derzeitigen Mietpreise in San Francisco knapp bei viertausend US$ pro Monat für ein Einzimmer Apartment. Dies impliziert auch den Zusammenhang, welcher im fünften Abschnitt des Papers behandelt wird. Hier wird auf eine Beziehung zwischen dem Bildungsstand und dem damit verbundenen Einkommen in Metropolen eingegangen. Unterschiedliche Qualifikationen im Bildungsniveau gehen mit unterschiedlichen Einkommensniveaus einher. Die makroökonomischen Gründe für Wanderungen lassen sich also zum einen am bereits in der neuen Region vorhandenen Bildungsniveau als auch am Einkommensniveau festmachen. Auch international gehen die Ursachen in die gleiche Richtung. So wurden Emigranten aus mittel- und osteuropäischen Ländern nach Ihrer Wanderabsicht befragt. Neunzig Prozent der Befragten gaben Lohndifferenzen als sehr wichtiges Motiv für Wanderungen an. Jedoch müssen an dieser Stelle zwei Faktoren beachtet werden. Zum einen gilt die Beachtung dem Niveau der Löhne, zum anderen deren Entwicklungsdynamik. Neben dem gegenwärtigen Niveauunterschied ist auch eine Begutachtung der Einkommensentwicklung sowie deren Entwicklung auf dem heimischen Arbeitsmarkt ausschlaggebend für Wanderungen.40

Abbildung 4 41 stellt die Entwicklungs– und Einkommensunterschiede von Herkunftsund Zielregion gegenüber.42 Zone A gibt sie Situation in einem geschlossenen Wirtschaftssystem wieder. Hier werden die Einkommensunterschiede aufgrund einer restriktiven Migrationspolitik ausgeblendet. Zone B zeigt die Wanderngspolitik trotz wirtschaftlicher und politischer Öffnung des Herkunftslandes. Auch ein Anstieg des Entwicklungsniveaus und steigende Einkommen in der Heimatregion können ein Wandern nicht verhindern. Erst beim Erreichen einer Einkommensschwelle in Zone C verlangsamen sich die Wanderungen in die neue Region. Ein gleiches Niveau von Heimat- und Zielregion ist somit Voraussetzung, um Wanderungen entgegenzuwirken und damit die von Abwanderung betroffenen Regionen indirekt zu unterstützen.

11 Die Mobilität von Qualifikationen

Immer mehr Menschen investieren in ihre Bildung und damit in die Ausweitung ihres Humankapitals. Ein wesentlicher Grund für die Mobilität von Akademikern und qualifizierten Arbeitskräften ist deren Bildung. So stellt die Qualifikation einerseits eine Chance, andererseits ein Risiko dar. In diesem Zusammenhang ist auch die Nachfrage nach Qualifikationen in der Zielregion zu beachten. Wildasin und Poutvaara stellen einige diesbezügliche Kriterien dar.43

So wird unter nationaler Bildung eine allgemeine der Heimatregion angepasste Form der Bildung verstanden. Diese Form von Bildung richtet sich nach dem sozioökonomischen Umfeld der jeweiligen Region. Beispielsweise können deutsche Juristen oder Apotheker nur bedingt im amerikanischen System mitwirken, da sie die entsprechenden Qualifikationen und Berechtigungen nicht besitzen und dies nur durch ein neues Studium erlangen können. Folglich führt die Wahl von nationaler Bildung für den Arbeitnehmer dazu, dass er nur Arbeit in seiner Heimatregion annehmen kann. In Bezug auf Wanderungen sind sie lediglich national mobil. Dennoch verfügen die Empfänger nationaler Bildung über die Möglichkeit, nach ihrer Ausbildung innerhalb verschiedenen Berufsgruppen mit ähnlichem Qualifikationsstand zu wechseln. So ist es für einen Juristen möglich auch international als Berater oder Kaufmann tätig zu werden.

Internationale Bildung hingegen ist im Vergleich zur nationalen Bildung über Staatsgrenzen hinaus anwendbar. Die Arbeitnehmer, die eine international ausgerichtete Qualifikation erworben haben, sind mobil. Zwar kann ein Architekt nicht eine Stelle als Biochemiker annehmen, jedoch ist er in der Lage, auch in der Zielregion als Architekt zu arbeiten.44 Folglich nimmt die Größe des Arbeitsmarkts für den Arbeitnehmer zu. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine international ausgerichtete Qualifikation mit Mobilität einhergeht, führt dazu, dass die Chance des Arbeitnehmers, eine Anstellung zu finden unter Berücksichtigung der Zielregion(en) steigt.

Für das Erlangen internationaler Bildung ist ein gewisses Maß an Einsatz und Talent gefragt.45 Dieser Ansatz kann jedoch vernachlässigt werden, da der Grad der internationalen Bildung vom jeweiligen Entwicklungsgrad beziehungsweise vom Gesamtniveau der jeweiligen Region ist. Jede Region kann ihre Arbeitnehmer qualifizieren, entscheidend in diesem Zusammenhang ist jedoch die Produktivität der Individuen. Solange Qualifikationen zu einer höheren Produktivität in der Heimatregion als auch in der Zielregion führen, wird Arbeit nachgefragt. Geht man jedoch von der Annahme aus, dass alle Arbeiter nach ihrer Qualifikation und ihrer Produktivität entlohnt werden, kann dies zum Wettbewerb der Regionen um Arbeiter mit höherer Qualifikation führen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass Arbeiter mit interregionaler Bildung höher entlohnt werden als solche mit regionaler Bildung.

12 Wanderungsbilanzen der Deutschen Regionen im Vergleich

Wie bereits angedeutet, sind Wanderungen nicht ausschließlich auf eine Ost- Westmobilität, vielmehr aber auf die Anziehungskraft von Metropolregionen zurückzuführen. Vergleicht man die einzelnen Regionen der Bundesländer in Deutschland, so sind erhebliche Unterschiede feststellbar. In Westdeutschland erleiden die Stadtstaaten erhebliche Abwanderungsverluste. Dies ist vor allem auf die Stadt-Umland Wanderungen zurückzuführen. Bayern und das Saarland verzeichnen hohe Zuwachsraten. Aber auch im Osten profitieren Brandenburg und Niedersachsen von der Nähe zu den Ballungszentren. Hier liegt die Nettozuwanderung Hochqualifizierter deutlich über der der gering Qualifizierten. Für diese beiden Regionen bedeutet dies, dass hoch qualifizierte- stärkeren Wanderungsabsichten unterliegen als gering qualifizierte Arbeitnehmer. Im Saarland übersteigt die negative Wanderungsrate der Arbeitnehmer mit Hochschulabschluss diejenige der Arbeitnehmer ohne Abschluss um ein vielfaches.

Die beiden westdeutschen Stadtstaaten Hamburg und Bremen verlieren Beschäftigte aufgrund von Wanderungen. Auffällig ist hierbei, dass die Anzahl der gering qualifizierten höher ist als die der höher qualifizierten Arbeitnehmer. Diese Beobachtung deckt sich auch mit den Analysen Berry’s. Er verdeutlichte, dass hochqualifizierte Arbeitnehmer in eine Metropole ziehen und dort eine hoch bezahlte Arbeit annehmen. Durch ihr hohes Einkommen steigen die Lebenshaltungs- insbesondere die Mietkosten. Dies hat zur Folge, dass gering qualifizierte Arbeitnehmer aufgrund ihres niedrigeren Gehalts diese Mietpreiserhöhungen nicht tragen können und deshalb in andere Regionen umsiedeln. Dies kann das hiesige Umland sein, aber auch bestimmte innerstädtische Regionen mit niedrigeren Lebenshaltungskosten.

Die oben dargestellten Ausführungen geben noch keinen Anhaltspunkt darüber, ob ein Umzug in eine andere Region auch mit einem Wechsel in eine Ost- beziehungsweise in eine Westregion verbunden ist. So sind von allen Wanderungen ostdeutscher Arbeitnehmer im betrachteten Zeitraum siebenunddreißig Prozent mit einem Umzug in den Westen verbunden. Bei den Beschäftigten in Westdeutschland liegt der Anteil der Wanderer, die die Absicht haben, gleichzeitig in den Osten zu wandern, lediglich bei acht Prozent. Der Anteil der Ostdeutschen Wanderer, die gleichzeitig in den Westen wandern, ist also deutlich höher als der Anteil der Wanderer, die ihren Wohnsitz nach Ostdeutschland verlegen. Tabelle 346 zeigt, wie sich die ostdeutschen Wanderer auf die Bundesländer im Westen verteilen. Es ist auffällig, dass gerade die Bundesländer, die an der ehemaligen innerdeutschen Grenze liegen einen erhöhten Anteil an Wanderungen aufweisen. Dies ist auf die höheren Wanderungskosten zurückzuführen. Mit größerer Entfernung in eine andere Region steigen die sozialen als auch finanziellen Kosten. Es wird aus diesem Grund versucht, die Distanz zu minimieren, um die zu erwarteten Kosten zu senken. Neben Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern, die direkt an der ehemaligen innderdeutschen Grenze liegen, ist auch in Hamburg ein leichter Zugang an Wanderungen aus Ostdeutschland zu erkennen. Über fünfundzwanzig Prozent der ostdeutschen Arbeitnehmer, die in den Westen übersiedeln, verlegen ihren Wohnsitz nach Bayern. Das süddeutsche Bundesland ist also zum Hauptziel der ostdeutschen Wanderer geworden. Vergleichsweise dazu ist der Zuwanderungsstrom der Ostdeutschen nach Nordrhein-Westfalen mit etwa vierzehn Prozent geringer.

Schaut man auf die Herkunftsregionen der Wanderer, so lässt sich feststellen, dass Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern erhöhte Auswanderungsanteile aufweisen. Berlin, Brandenburg und Sachsen haben eine geringere Auswanderungsrate. Auffallend ist, dass ein Viertel aller Auswanderer aus Sachsen kommt. Betrachtet man in Tabelle 447 jedoch die Verteilung der Beschäftigten, die in den Osten abwandern, so zeigt sich in Bezug auf das Ziel, dass die meisten Wanderer in die Berliner Region ziehen. Ansonsten findet in Mecklenburg-Vorpommern ein leichter Zuwanderungsstrom statt. Dies kann aufgrund der angedeuteten Umlandregion Rostocks liegen.

13 Folgen von Zu- und Abwanderungen

Die Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus einer Region bedeutet in erster Linie einen Verlust von Humankapital. Infolgedessen verliert der Standort für Firmen, Unternehmer und andere Arbeitskräfte an Bedeutung. Gerade jüngere Fachkräfte und hochqualifizierte Arbeitnehmer sind zu Beginn ihrer Karriere sehr flexibel und viel schneller bereit, zu wandern. Dies impliziert auch ein Nichtvorhandensein zukünftiger Eltern- und Kindergenerationen, die Schrumpfungstendenzen indirekt weiter verstärken und eine Verschiebung der demographischen Pyramide bewirken können. Zudem kann die Ausdünnung der Bevölkerungsdichte in den betroffenen Regionen zu einer ungleichmäßigen Verteilung der Absatzmärkte in Richtung kaufkräftigerer Gebiete zustande kommen. Viele Kommunen sind zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen.

Die Gründe liegen hier in der geringen Auslastung der Verkehrswege bei gleich bleibenden Kosten. Hinzu kommt ein hoher Anteil von Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfeempfängern sowie sinkende Einnahmen durch den geringen Unternehmensbesatz, der beeinflusst wird durch die geringe Nachfrage an Güter- und Dienstleistungen. Dies hat einen Rückgang der Versorgungsleistungen zur Folge. Aufgrund der Sparmaßnahmen werden Kultur- und Sozialeinrichtungen geschlossen. Dies verstärkt den Wegzug weiterer Arbeitskräfte aus dieser Region.

In den Agglomerationszentren hingegen haben die kapitalintensiven und wissensorientierten Unternehmen enorme Vorteile. Hier können sich in Kooperation mit Unternehmen, Universitäten und dem vor Ort ansässigen Humankapital positive Effekte herausbilden. Die Präsenz von Firmen und Dienstleistungsunternehmen unterschiedlicher Branchen beschleunigt die Innovationsdynamik, welche in erster Linie durch die ausgebildeten Fachkräfte sowie die hoch ausgebildeten Arbeitnehmer getragen wird.

Durch die Ansiedlung und Gründung weiterer kleiner Unternehmen wächst gleichzeitig der Dienstleistungssektor. Die ausgewogene Altersstruktur, die durch die jungen Zuwanderer getragen wird, führt letztendlich zu einem wachsenden Bedürfnis an Kulturund Freizeitangeboten, die aus regionaler Ebene auch befriedigt werden. Als Beispiel können Städte wie München, Stuttgart, Hamburg und Berlin genannt werden. Hochschulen können ein breites Basiswissen bereitstellen und Expertenwissen vermitteln. Durch den intensiven Kontakt zu ihrem Umfeld generieren solche Institutionen eine enorme Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit und erbringen durch einen enormen Wissens- und Technologietransfer erhebliche Wettbewerbsvorteile. Insbesondere profitieren hiervon Unternehmensgründungen und Spin-Off Firmen, welche neue Technologien selber kommerzialisieren. Universitäten üben auf Gründungen einen enormen Einfluss aus, indem sie diese finanziell unterstützen. Dies wirkt sich indirekt auf die Nachfrage nach Arbeitskräften aus. Für die Region entstehen also positive Effekte. Eine Studie48 über biotechnologische Firmen in den 1970er bis 1990er Jahren hat eindeutig belegt, dass zwischen der geographischen Verteilung von Humankapital und der Bildung von Unternehmensgründungen ein enger Zusammenhang besteht. So wurden in den Regionen um San Francisco und Los Angeles, wo eine sehr hohe Dichte von Wissenschaftlern zu finden ist, die meisten Firmengründungen verzeichnet. Von den damaligen siebenhundertfünfzig untersuchen Firmen waren etwa fünfhundert Neugründungen und einhundertfünfzig Firmen durch Abspaltungen vom Mutterkonzern gelöst. Der Rest konnte keiner eindeutigen Kategorie zugeordnet werden. Diese Firmen wurden anhand ihrer geographischen Verteilung untersucht. Es wurde belegt, dass sich der hochtechnologisierte Sektor in entscheidender Abhängigkeit von den Fortschritten in der Forschung und somit vom Humankapital befindet. Dabei ist mehr der qualitative als der quantitative Anteil des Humankapitals von Bedeutung. So wurde die Forschungsintensität als der zentrale Faktor für die Einwirkung auf Unternehmensgründungen angesehen.

Universitäten binden also hochqualifiziertes Humankapital in einer Region und fördern somit den Unternehmergeist innovativer Wissenschaftler. Dieser Effekt wurde von D. Huffmann und J.M. Quigley im Silicon Valley anhand einer Studie belegt. Die High- Tech Region Silicon Valley ist aus einer Vision heraus entstanden. Die Attraktivität der Region sollte das Abwandern der hoch qualifizierten Arbeitnehmer verhindern. Voraussetzung dafür war die Bildung eines erfolgreichen und dynamischen Wirtschaftsstandorts. Die Professoren der Stanford Universität hatten sich in den vierziger Jahren das Ziel gesetzt, diese Vision in die Realität umzusetzen. Dafür wurden Kooperationen mit der vor Ort ansässigen Industrie eingegangen. Beispielsweise wurden Jobs und Praktika von der Universität vermittelt. Vorträge wurden gehalten und Ingenieure in universitäre Programme eingespannt. Nach Schaffung dieses Grundgerüsts wurde der Stanford Industrial Park unmittelbar in der Nähe und vor allem in Zusammenarbeit mit der Hochschule geschaffen. Damit man sich auch gegenseitig positiv beeinflusste, wurden Kooperationen und Geschäfte mit der örtlichen Industrie abgeschlossen. Im Industriepark wurde im Jahre 1940 die erste Firma aufgenommen. Bereits fünfundzwanzig Jahre später zählte der Industriepark zweiundvierzig Unternehmen die insgesamt zwölftausend Menschen beschäftigten. Innerhalb nur weiterer zehn Jahre wuchs die Beschäftigungszahl auf über einhunderttausend Beschäftigte. Vor allem die Halbleiterindustrie ließ sich in dieser Region nieder, weshalb diese Region auch auf den Namen Silicon Valley umgetauft wurde. Dies lag daran, dass Silikon das meist verbrauchte Material in dieser Industrie ausmachte.

Um Erfolge, wie sie im Silicon Valley ermöglicht wurden in anderen Regionen zu realisieren, ist es notwendig, Absolventen und High Potentials in lokale Netzwerke zu integrieren und sie somit längerfristig an die Region zu binden. Durch diese Herangehensweise werden auch Firmangründungen gefördert. Allerdings ist anzuführen, dass nicht die Universität alleine über eine solche Anziehungskraft verfügt. Es kommen noch weitere Aspekte hinzu, die die Bindung der High Potentials fördern. Dabei spielt das Einkommen der Hochqualifizierten eine enorme Rolle. High Potentials verdienen in der Regel mehr als unqualifizierte Arbeiter. Sie zahlen infolge dessen auch mehr Abgaben an den Staat und haben gleichzeitig einen höheren Lebensstandard. Dies wiederum weckt das Interesse der regionalen Behörden, besagte Netzwerke zu unterstützen.

14 Fazit

Regionale Unterschiede beeinflussen die Wachstumperspektiven und Arbeitsmarktbedingungen innerhalb einer Region. Grund hierfür sind Wanderungen. Um der Verarmung der betroffenen Regionen entgegenzuwirken, sind Kenntnisse über die Wanderungen von Arbeitnehmern sehr hilfreich.

Seit der Wiedervereinigung sind vor allem Wanderungsströme zwischen den alten und den neuen Bundesländern zu verzeichnen. Hier finden Wanderungen insbesondere entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze statt. Die Entfernung zwischen Herkunfts- und Zielregion spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Es kommt zum Teil zu erheblichen Nettoabwanderungen aus dem Osten Deutschlands. Seit 2000 haben alle ostdeutschen Bundesländer in allen Qualifikationsstufen erhebliche Abwanderungen von Humankapital in den Westen verzeichnen müssen. Dies hängt in erster Linie mit den Unterschieden der Arbeitsmarktchancen in den beiden Teilen Deutschlands zusammen. Gerade der Osten Deutschlands kann aufgrund der aktuellen Krise den ungelernten Arbeitskräften kaum noch eine Chance zur Beschäftigung bieten. Hochqualifizierte Arbeitnehmer hingegen haben immer noch Möglichkeiten der Anstellung. So sind fast ausschließlich Westdeutsche Regionen interessant für ungelernte Arbeitskräfte aus dem Osten. Dem Wanderungsstrom steht jedoch nur bedingt ein Wanderungsstrom in den Osten entgegen. Die Stadt-Umland-Verflechtungen der größeren Städte wie Berlin und Rostock ziehen einige Arbeitnehmer aus dem Westen an. Im Netto können diese jedoch nicht dem Wanderungsstrom aus dem Westen gleichziehen.

Grafik

Fußnoten

  1. vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
  2. vgl. Bach et al. (2008)
  3. vgl. Schneider (2005)
  4. vgl. Heiland (2004)
  5. vgl. Ozden (2006): S. 232
  6. vgl. Schlömer (2004)
  7. vgl. Arntz (2006)
  8. vgl. Berry (2005)
  9. vgl. Barjak (2001)
  10. vgl. Bauer, Zimmermann (1994): S. 98
  11. vgl. Straubhaar (1995): S. 234
  12. siehe Anhang: Abbildung 1
  13. vgl. Sinn (2000): S. 28
  14. vgl. Bauer, Zimmermann (1994): S.98
  15. siehe Anhang: Abbildung 2
  16. vgl. Sinn (2000): S. 23
  17. Meier, E.C. und Andere (1998): S. 36 bis 37
  18. Wander, H. (1970): S. 19
  19. Synonyme: Ergiebigkeit, Fruchtbarkeit
  20. Bodenhöfer / Riedel (1998): S. 20
  21. Bodenhöfer, H-J.; Riedel M. (1998): S. 33
  22. Synonyme: Aufopferung, Selbstlosigkeit, Uneigennützigkeit
  23. Becker, G.S.; Barro, R.J. (1998): S. 3
  24. Becker, G.S. (1993): S. 140
  25. Samuelson P.A.; Nordhaus, W.D. (1984): S. 308
  26. vgl. Bretschger, L. (1998): S. 106
  27. vgl. Becker, G.S.; Murphy K.M.; Tamura, R. (1990): S. 313
  28. vgl. Haas, A.; Möller, J. (2001)
  29. siehe Anhang: Abbildung 5
  30. Beschäftigten-Historie des IAB
  31. vgl. Handl (1996)
  32. vgl. Berry (2005)
  33. vgl. Iyigun M.F; Owen A.L. (2001): S. 456
  34. vgl. Moog, P.; Backes-Gellner, U. (2003): S. 9
  35. vgl. Arntz (2006)
  36. Abwanderung besonders ausgebildeter oder talentierter Menschen aus einer Region
  37. siehe Anhang: Abbildung 3
  38. siehe Anhang: Tabelle 1
  39. siehe Anhang: Tabelle 2
  40. vgl. Sinn, H-W., (2000): S. 31
  41. siehe Anhang: Abbildung 4
  42. vgl. Thränhardt, D.; (2005): S.5
  43. vgl. Poutvaara (2004): S. 1-18
  44. vgl Wildasin, D., (1999): S. 6
  45. Poutvaara, P., (2004): S.9
  46. siehe Anhang: Tabelle 3
  47. siehe Anhang: Tabelle 4
  48. Intellectual Human Capital and the Birth of U.S. Biotechnology Enterprises

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

  1. Abbildung 1: Wanderung und Lohnstruktur, Quelle: Sinn, H.W. (2000)
  2. Abbildung 2: Wanderung und Lohnstruktur, Quelle: Sinn, H.W. (2000)
  3. Abbildung 3: Arbeitsmarkt in Zahlen, Bundesagentur für Arbeit (2008)
  4. Abbildung 4: Einkommensschwelle nach Thränhardt , Quelle: Thränhardt, D. (2005)
  5. Abbildung 5: Wanderungsquote nach Qualifikation , Quelle: BeH
  6. Tabelle 1: Verteilung der Job Wanderer, Quelle: BeH
  7. Tabelle 2: Verteilung der Job Wanderer , Quelle: BeH
  8. Tabelle 3: Ostdeutsche Beschäftigte mit Wohnortwechsel nach Westdeutschland, Quelle: Arntz (2006)
  9. Tabelle 4: Westdeutsche Beschäftigte mit Wohnortwechsel nach Ostdeutschland, Quelle: Arntz (2006)

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