Komplexitätsmanagement
In einem Unternehmen stellt das Komplexitätsmanagement eine zentrale Aufgabe dar. Dies ist im Zuge der Globalisierung der Märkte erforderlich, um im Wettbewerb erfolgreich bleiben zu können. Komplexität, die durch die Umwelt als auch durch die interne Organisation in einem Unternehmen entsteht, kann nur schwer wieder abgebaut werden. Deshalb ist es sinnvoll, wenn das Management die Komplexität erst gar nicht entstehen lässt. Dabei muß das Denken an den Anfang des unternehmerischen Handelns und nicht in Form eines ständig verbessernden Managements an das Ende der Organisationsschöpfung gestellt werden.
In erster Linie entsteht Komplexität im Zuge der Variantenerhöhung. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die Unternehmensprozesse. Dem Management stehen eine Reihe von Tools wie der BSC oder der SWOT-Analyse zur Verfügung, die in dieser Arbeit jedoch nicht vorgestellt werden sollen. Vielmehr liegt die Konzentration auf der vorherigen Komplexitätsvermeidung anstelle des späteren -managements.
Contents
1 Einleitung
08Eine zu hohe Komplexität, die vom Unternehmen nicht mehr beherrscht werden kann, ist existenzbedrohend. Oftmals besteht in den Betrieben die Tendenz, die Komplexität zu erhöhen. Diese sollte jedoch im Gegenteil auf ein gewisses Maß reduziert werden. Die Erhöhung der Komplexität im Zuge der Individualisierung von Produkten ist nur dann sinnvoll, wenn Erstere auch von den Unternehmen gehandelt werden kann. Zudem muß der Kunde bereit sein, die im Rahmen der Individualisierung ansteigenden Kosten zu tragen. Das Unternehmen muß dem Kunden vermitteln, daß die Individualisierung von Produkten nicht kostenlos erfolgen kann. So sollte sich ein Unternehmen nicht ausschließlich an den Kundenwünschen orientieren, vielmehr muß es ein Gespür dafür entwickeln, welche Kunden bereit sind für die Individualisierung von Produkten zu zahlen. Soll die Individualisierung der Anbieter erfolgreich umgesetzt werden, müssen die Kosten und Wünsche der Kunden aufeinander abgestimmt werden. Die Individualisierung wird sich dann zu einem Erfolgsfaktor forcieren, wenn sich das Management entsprechend an den neuen Bedarf der Kunden anpasst. Im traditionellen Managementansatz, der durch den Taylorismus in erheblichem Maße geprägt ist, wurde die Komplexität noch nicht berücksichtigt. Dabei sind es gerade die Organisationsstrukturen im Unternehmen die das Komplexitätsproblem abstrahieren. In der Praxis wird eine Reihe von komplexitätsreduzierenden Modellen eingesetzt. Diese müssen jedoch auch im individuellen Fall greifen. Dies kann nur geschehen, wenn an den Informationssystemen angesetzt wird. So ist es wichtig, daß Controllinginstrumente eingesetzt werden, die es ermöglichen, daß die ökonomischen Wirkungen von Komplexität transparent gemacht werden. Bei der Transparenz von Wirkungen sind proaktive Maßnahmen zur sinnvollen Gestaltung der Komplexitäten von besonderer Bedeutung. Es sollte die Komplexität nicht ohne konkretes Ziel verringert oder erhöht werden. Vielmehr sollte sich das Management über die Ziele und die damit verbundenen Maßnahmen vorher im Klaren sein, da sich Komplexitätskosten nur schwer abbauen lassen. Die Funktionsbereiche eines Unternehmens müssen durch die Komplexitätswirkungen eines Unternehmens definiert werden.
Durch allein verbesserte Informationssysteme lässt sich das Problem nicht bewältigen. Die Kernursache der Komplexitätsfalle liegt in der Organisation des Unternehmens. Die Systeme, also das Unternehmen ist so zu verändern, dass die Verhaltensweisen, die zuvor eingeübt wurden, durch ein systemübergreifendes Denken ersetzt wird. Das Management eines Unternehmens sollte sich von dem Gedanken der Koordination über Hierarchien befreien. Vielmehr sollte die horizontale Koordination forciert werden. Hierfür müssen jedoch seitens der Unternehmung die Grundsteine gelegt werden, auf die das Middle Management aufbauen kann. Die in den Unternehmen oft verbreitete Erfolgsbeteiligung löst das Problem nicht, sondern verstärkt es im Gegenteil um so mehr. Damit die Qualität in einem Betrieb verbessert werden kann, ist es wichtig, geeignete Organisations- und Entscheidungsstrukturen zu schaffen, die die Komplexität besser beurteilen und fassen können. Dadurch wird letztendlich ein übergreifendes Denken gefördert und vielschichtige Entscheidungsstrukturen mit eingebunden.
2 Komplexität im Betrieb
Will ein Unternehmen im Kampf um Marktanteile erfolgreich sein, sollte es den komplexen Anforderungen der Umwelt und der zunehmenden Dynamik des Marktes gerecht werden. Die stark gestiegene Komplexität führt Unternehmen oftmals in Situationen, in denen sie ihre Prozesse nicht mehr verarbeiten können und somit in einen ineffektiven, unbeherrschbaren und ineffizienten Zustand kommen. Dem Management eines Unternehmens kommt somit die Aufgabe zuteil, die Komplexität im Unternehmen zu erfassen und sie innerhalb des Systems zu optimieren. Dabei ist darauf zu achten, daß das Unternehmen sich im Zuge der Optimierung nicht zusätzliche Komplexität aufbaut und folglich ihre Gesamteffizienz verringert. Letztendlich kann der weitere Aufbau von Komplexität zu einem Schock mit Prozeß- und Organisationsversagen führen. Ein weiteres Problem besteht darin, daß oftmals die extern geforderte Komplexitätsreduktion intern gar nicht bewältigt werden kann. Dies hat jedoch in erster Linie mit den Kostenstrukturen des Unternehmens zu tun. Die Komplexität, in der ein Unternehmen agiert, hat in erster Linie mit einer internen unternehmensbezogenen Komplexität und einer externen umweltbezogenen Komplexität zu tun. Abbildung 1 gibt hier einen geeigneten Überblick nach Wildemann.1 Unter dem Begriff Komplexität wird in erster Linie die Vielfalt der Zustände und Zustandskonfigurationen verstanden. Die Definition des Begriffs Komplexität erstreckt sich über vier Bereiche. Komplexität variiert zum einen mit der Anzahl einbezogener Einheiten und der Anzahl der durch Aktionen ausgelösten Beziehungen zwischen diesen Einheiten und der Variabilität der Einheiten und Aktionen. Die Variabilität, die Einheiten, die Beziehungen und die Aktionen bilden unter Berücksichtigung der Anzahl die Bestimmungsfaktoren des Komplexitätsgrades einer Organisation.
2.1 Externe Komplexitätseinflüsse
Durch den verschärften Wettbewerb werden viele Einflüsse an ein Unternehmen herangetragen. Die derzeitige Wirtschaftskrise, die Globalisierung und die Dynamik der internationalen Märkte verursachen Nachfrageschwankungen in den Unternehmen. Die Änderungen im Sortiment, als auch die Sortimentsgröße und -tiefe drücken sich als Reaktion auf die veränderten Kundenbedürfnisse aus. Aus dessen Folge verändern sich die Leistungen des Unternehmens in Hinblick auf die gewollten Leistungen und deren Kombinationen seitens der Kunden. Damit ein Unternehmen in der Vielfalt der Angebote nicht unter geht, sollte es sich durch entsprechende Nischenstrategien von seinen Mitbewerbern unterscheiden. Dies ist jedoch soweit nicht ganz einfach, da im Zuge dessen auch neue Kombinationsmöglichkeiten der produktbezogenen Leistungen und der damit verbundene Zusatznutzen der Kunden kommuniziert werden muß. Durch die Kombinationsmöglichkeiten als auch die Wahlmöglichkeiten der Produkte, lässt sich die Anzahl der potenziellen Kunden erheblich erhöhen. Werden hingegen die Varianten und Baugruppen in ihrer Anzahl erhöht, führt dies nicht unbedingt zu einer Erhöhung des Umsatzes und des sich daraus resultierenden Gewinns, da dieser durch den Anstieg der Kosten gemindert wird. Bei der Einführung von standardisierten Varianten konnten Kostensteigerungen von bis zu 40% nachgewiesen werden. Der externe Komplexitätseinfluß kommt bei zwei bedeutenden Schnittstellen des Unternehmens zum tragen. Hier sind zum einen die vertriebsbezogene Abwicklung als auch die distributionsbezogenen Prozesse zu nennen.
Schaut man auf den Vertrieb, so ist hier die steigende Komplexität aufgrund der zunehmend unterschiedlichen Wünsche zu nennen. Die Kundenkomplexität führt auch in der Produktion von Zwischenerzeugnissen zu einer Steigerung der prozeßbezogenen Komplexität. Diese impliziert in dessen Folge auch ein Anstieg der Kosten. Zunehmend entstehen mehr interne Einheiten und Funktionsbereiche. Es stellt sich jedoch nachteilig für das Unternehmen heraus, wenn es bereits im Vorfeld, also in der Angebotsphase das umfangreiche Leistungspaket anpreist, um den Kunden von seiner individuellen Leistung zu überzeugen. Denn oftmals ist dies gar nicht gewünscht oder notwendig. Der Wirkungsgrad eines Angebots liegt zwischen 5% und 17%. Das bedeutet, daß der davon negative Anteil zu 100% nicht beachtet wird. Die zahlreichen Angebote, die zu keiner Kaufentscheidung beim Kunden führen, machen somit einen enormen Kostenblock aus, der letztendlich von den tatsächlichen Aufträgen kompensiert werden muß. Damit mehr Kundennähe realisiert werden kann, versucht ein Großteil der Unternehmen, die bisherigen Distributionskanäle in Frage zu stellen und diese, gerade in Zeiten des Internetzeitalters, zu überdenken. Dies kann unter Umständen den Umsatz erhöhen, birgt jedoch auch die Gefahr der zunehmenden Kosten, der Kundenkomplexität als auch die Zunahme an Mitbewerbern in sich. Bei einem Outsourcing der neuen Aufgaben an sogenannte Distributionsmittler besteht zum einen die Chance der besseren Bewältigung der neuen Aufgaben, andererseits jedoch die Gefahr der Heranzüchtung von Mitbewerbern, die durch das Outsourcing die internen Abläufe des Auftraggebers erlernen und gezielt Kundenakquise betreiben können. Weiterhin können Kosten, insbesondere Kapitalbindungskosten dadurch entstehen, wenn eine Lagerfertigung aufgrund der vermuteten Produktwünsche vorproduziert wird, damit eine ziemlich kurze Lieferzeit realisiert werden kann. Hier ist abzuwägen, welche Kosten, etwa durch einen potenziell entgangenen Auftrag aufgrund mangelnder Lieferschnelligkeit, oder durch nicht notwendige Lagerhaltung, überwiegen.
Es wird also deutlich, daß sich der Einfluß externer Vielfaltsausprägungen auf Produkte und auf Prozesse des Unternehmens auswirkt. Es ist nicht nur die fehlende Übereinstimmung der externen Vielfalt und der internen Komplexität zu beobachten. Vielmehr wird Komplexität auch durch interne Treiber ausgelöst, auf die im Folgenden eingegangen werden soll.
2.2 Interne Komplexitätseinflüsse
Die interne Komplexität ist gekennzeichnet durch drei wesentliche Einfüsse, die gegenseitige Abhängigkeiten aufweisen. Die Einflüsse sind geprägt durch strukturelle, informations- und kommunikationsbezogene und individuelle Komplexitätstreiber. Die strukturellen Komplexitätstreiber können in eine Aufbau- und Ablauforganisation unterteilt werden. Der Funktionsumfang eines Unternehmens oder eines Fachbereichs bestimmt im Wesentlichen den Hauptkomplexitätstreiber im Unternehmen. Durch den Grad der Spezialisierung in einem Bereich des Unternehmens ist dieses geprägt durch die Anzahl an Hierarchiestufen. Eine hohe Komplexität ist die Folge. Diese kann nur durch den Abbau der Hierarchiestufen und mit einem Aufbau der Selbstorganisation realisiert werden. Andererseits wird das eigentliche Ziel einer optimalen Deckungsgleichheit von interner und externer Komplexität verfehlt. Es verlangt eine stetige und flexible Reaktion auf die Dynamik der Veränderungen wenn lange Entscheidungswege und -prozesse sowie fehlende Kompetenz und Verantwortung die Effektivität des Unternehmens lähmen. Die Komplexitätserfordernisse des Marktes verlangen eine flexible Reaktion auf die dynamische Veränderungen. Dies kann nur dann erreicht werden, wenn viele Bereiche des Unternehmens in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden und diese ihre Vereinigung in der Aufgabe und Kompetenz erlangen. Die Spezialisierung der Mitarbeiter bestimmt also in wesentlichem Maße die strukturelle Komplexität im Unternehmen. Viele Kompetenzen müssen koordiniert und teilweise kombiniert und gebündelt werden, um das gewünschte Ergebnis zu erlangen. Hierbei sind insbesondere funktionslose Stellen, Doppel- und Mehrfachaktivitäten und übertriebene Kontrollvorgänge hinderlich. Auch können sich Verzögerungen bezüglich gewisser Entscheidungsvorgänge nachteilig auf das Unternehmen auswirken. Dadurch ausgelöst können eine unzureichende Komplexitätshandhabung und strukturelle Informationspathologien zu einem Kostenzuwachs im Zeitablauf beitragen. Die angesprochene Mitarbeiterspezialisierung bestimmt in einem gewissen Maße die Komplexität des Unternehmens. Je höher die Einzelaktivitäten der jeweiligen Mitarbeiter sind, desto höher sind die durch die Aktivitäten ausgeprägten Beziehungen dieser untereinander. Die Beziehungen und Schnittstellen der Mitarbeiter verlängern in Folge dessen die Durchlaufzeit der Werkstücke und Informationen im Unternehmen. Folglich können selbst routinierte Aufgaben nur langsam erledigt werden. Die Mitarbeiterspezialisierung führt in Bezug auf gleichartige Aufgaben zu nicht werterhöhenden Aktivitäten und Prozessen im Unternehmen.1
Wird die Komplexität im Unternehmen durch entsprechende unterschiedliche Klassen erhöht, erhöht dies nicht unbedingt die Wertschöpfung im Unternehmen. Die Bringschuld in der Informationsweitergabe stellt einen sogenannten informatorischen Komplexitätstreiber dar, der versucht, den informationsverarbeitenden Bereichen des Unternehmens durch ein entsprechendes Standardisierungsverfahren zu begegnen. Schaut man beispielsweise auf ein betriebliches Formularwesen, welches die Komplexität des Unternehmens durch Standardisierung verringern soll, so stellt man häufig fest, daß gerade dies zu einer Erhöhung der Komplexität führen kann. Auch kann ein falsches Maß an Dokumentationen die überflüssigen Richtlinien und Vorschriften des Unternehmens binden.
Auch die Produktgestaltung sowie deren Aufbau kann zu einer Erhöhung der Prozesskomplexität führen. Dies ist oftmals dann der Fall, wenn ein Mißverhältnis zwischen dem Bedarf der Kunden und den Varianten der Produzenten herrscht. So können Produkte, die einen gering gestalteten Standardisierungsgrad und einen unzureichenden Mehrfachverwendungsgrad haben und deren Normteile nicht optimiert sind, ein erhöhtes Maß an Aktivitäten erfordern, die von Kundenseite aufgrund einer erhöhten Kostenstruktur nicht getragen werden wollen. Unternehmen unterscheiden nicht scharf genug zwischen den seitens des Kunden gewünschten Kann- und Mußvarianten. Schaut man auf die externen und internen Komplexitätsphänomene, so wird deutlich, daß die kostenbezogene Bewertung von Komplexität ein Problem darstellen kann. Die traditionellen Kostenberechnungssysteme berücksichtigen bisher keine Kosten der Komplexität. In den Unternehmen kann deshalb keine eindeutige Beurteilung vorgenommen werden, die die erforderliche Transparenz in Bezug auf komplexitätsorientierte Entscheidungen vornehmen. Da in den meisten Fällen die Komplexität jedoch nur langfristig optimiert werden kann, ist es gerade notwendig, daß Transparenz in Bezug auf die Entscheidungen besteht. Dies ist in den im Zeitablauf gefällten unternehmerischen Entscheidungen begründet. So kann eine Aufbau- als auch Ablauforganisation beispielsweise nicht innerhalb weniger Tage optimiert werden.
2.3 Entscheidungsformen von Komplexität
Bevor nun auf die Kostenwirkungen der Komplexität eingegangen werden soll, werden an dieser Stelle die Entscheidungsformen von Komplexität vorgestellt. Folglich kann sich der Leser ein besseres Bild vom Begriff machen. Dies ist insoweit wichtig, da dies für die nachfolgenden Abschnitte bezüglich des eingehenden Verständnisses von Bedeutung ist. Unter Komplexität wird im Allgemeinen die Gesamtheit der Merkmale verstanden, die ein Zustand oder ein Objekt bzw. Subjekt in seiner Vielschichtigkeit annehmen kann. Im engeren Sinne reden wir in diesem Zusammenhang von Vielschichtigkeit im Unternehmen. Als Bereiche können hier die Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Absatz oder Organisation darstellen. Komplexität versteht sich nicht als ein einseitiges Phänomen. Vielmehr kommt sie in unterschiedlichsten Eigenschaften zum tragen. Diese können durch eine steigende Variantenzahl, die zunehmende Zahl an Bauteilen, die steigende Zahl an heterogenen Kundengruppen als auch die Anzahl der in einer Planung gleichzeitig zu berücksichtigen Ziele definiert werden. Schaut man auf die Produktion, so ergibt sich hier der Komplexitätsgrad durch die Fertigungstiefe, das Produktkonzept, die Programmzusammensetzung und die Prozeßgestaltung sowie die Art des technischen Fertigungssystems im Unternehmen. Folglich führt die Wahl des optimal gestalteten Komplexitätsgrades zu einem mehrdimensionalen Entscheidungsproblem. Weiterhin kommt es darauf an, zu erkennen, welche Komplexitätsdimensionen für ein Unternehmen kritisch zu hinterfragen sind. Abbildung 2 zeigt die Schichten der Komplexität nach Adam & Johannwille.1 Der Marktwandel stellt den Ausgangspunkt dar. Hier existiert ein zu enger Käufermarkt, der es erfordert, daß die Anbieter ihre Leistungen auf die Wünsche des Kunden abstimmen. Dies impliziert gleichzeitig die Ausweitung der Ziele und Beurteilungskriterien für die Strategien. Neben den traditionellen Zielen wie der Produktivität, der Wirtschaftlichkeit und der Kapazitätsauslastung sind weitere strategische Erfolgsfaktoren zu nennen. So wird in der Regel eine dem individuellen Kundenwunsch angestrebte, konkurrenzüberlegene Qualität sowie eine ausgesprochen hohe Flexibilität gewünscht, die es ermöglicht, auf Kundenwünsche schnell reagieren zu können. Hier sind jedoch auch Aspekte wie der Kundenservice, die Rücknahme von Altgeräten als auch entsprechende Finanzierungsangebote entscheidend, damit der Kunde zufrieden gestellt werden kann. Weiterhin sind kürzere Produktionszeiten sowie kürzere Abwicklungs- und Durchlaufzeiten von Bedeutung, um geringe Stillstandzeiten sowie ein hohe Termintreue zu realisieren. Jedoch sind diese Ziele oftmals nicht mit einem hoch gesetzten Ziel bezüglich der Qualität vereinbar. Oftmals kann eine höhere Qualität lediglich mit zusätzlichen Kosten vereinbart werden. Die kurzen Durchlaufzeiten sind wiederum mit eventuellen Stillstandzeiten verbunden. Es bestehen somit Zielkonflikte oder Zieldefekte, die durch Hierarchien und Kompromisse oder Prioritäten zu klären sind. Das Ausmaß der Koordination ist um so größer, je größer das Ausmaß der Arbeitsteilung innerhalb eines Betriebs ist. Folglich müssen mehr Entscheidungsfelder abgestimmt werden. Damit die Kundenwünsche erfüllt werden können, verfolgen viele Unternehmen die Segmentierung ihrer Angebote. Vielfach wird auf Einzelwünsche unterschiedlichster Käufergruppen einzugehen versucht. Die Kundengruppen sind dabei oftmals sehr klein und können sich entsprechend herausbilden. In dessen Folge bilden sich Kundenstrukturen, die in einer ABC-Analyse unterteilt werden können. Hier steigt jedoch wieder die Kundenkomplexität, da der Bedarf an entsprechenden Vermarkungskapazitäten steigt. So kann es durchaus sein, daß eine Segmentierung auch eine Differenzierung im Vertrieb nach sich zieht. Beispielsweise werden Standardprodukte anders angepriesen als Spezialmaschinen. Die erhöhte Kundenkomplexität geht einher mit kundenindividuellen Varianten und somit mit einer erhöhten Variantenkomplexität. Bei der Variantenproduktion erfolgt die Individualisierung der Produkte gegen Ende der Produktion. Dies führt dazu, daß die Stückzahlen im Fertigungsprozeß abgesenkt werden kann. Folglich reduziert dies die sogenannte Teilekomplexität, die durch die Art des Produktkonzepts geprägt ist. Werden keine Varianten produziert, kann es vorkommen, daß viele Einzelteile von Zulieferern bezogen werden müssen, die die Kapitalbindungskosten in die Höhe schnellen lassen. Durch die Variantenproduktion wird der Fertigungsprozess stabilisiert, da durch Standardkomponenten ein vereinfachter Produktionsablauf gewährleistet werden kann. Die Variantenproduktion erfordert jedoch flexible Maschinenkonzepte, die erhöhte Ansprüche an die Fertigungssysteme stellt. Die Anlagen müssen sich bei einer neuen Variation des Produkts schnell umrüsten lassen, insbesondere dann, wenn in kleinen Losen gefertigt werden soll. Die hochintegrierten Maschinenkonzepte, die heute in Fertigungsstraßen eingesetzt werden, sind jedoch kostenaufwendig sowie störungsanfällig. Bei besonders kleinen Losen sind zudem die Maschinen unausgelastet, um spezielle Produkte für die Fertigung zu segmentieren. Die zielorientierte Koordination der inneren und zwischenbetrieblichen Abläufe wird durch diese Entwicklungen erschwert. Folglich kommt es zur Koordinationskomplexität, welche durch die steigende Anzahl an Produkten, Programmen, Kundenstruktur, Maschinenkonzepten u.s.w. zunimmt. Weiterhin steigen die Anforderungen an die Abläufe in der Logistik, der Bereitstellung als auch der Fertigungssteuerung. Somit werden die Produktionsprozesse zunehmend ineffizienter und sind, wenn überhaupt, gar nicht mehr zu beherrschen. Dadurch entstehen Reibungsverluste durch Übergangszeiten, Lagerzeiten, ablaufbedingte Stillstandszeiten, Fehlmeldungen und Rüstzeiten. Durch den Anstieg der Komplexität steigt das Ausmaß an Blindleistungen derart an, daß das Leistungsvolumen pro Zeiteinheit zurück geht. In vielen Unternehmen erfolgt die Steuerung der Abläufe durch eine Organisationseinheit, beispielsweise der Arbeitsvorbereitung, welche zentral positioniert ist. Hier ist ein immer umfangreicheres Steuerungskonzept mit einem immer größeren Informationsbedarf erforderlich. Zur Abwicklung von Kundenaufträgen steigt der Informationsbeschaffungsaufwand als auch der Koordinationsaufwand zur Abwicklung von Kundenaufträgen. Dies hat zur Folge, daß die Managementkapazitäten und die Informationssysteme qualitativ und quantitativ ausgebaut werden müssen. Durch die erhöhten Informations- und Managementkapazitäten ist dem wohl kaum zu begegnen, da der Umfang an Blindleistungen nicht nachhaltig sinkt. So beherrschen viele Betriebe den erreichten Komplexitätsgrad trotz gestiegener Kosten nur unzureichend.
2.4 Messung von Komplexität
Damit der Komplexitätsgrad jedoch greifbar gemacht werden kann, ist es notwendig, Komplexität an sich zunächst messbar zu machen. Dies setzt jedoch voraus, daß eine Maßgröße für Komplexität eingeführt wird, an der letztendlich Kosten und Erlöse in Form einer Funktion dargestellt werden können. Die Komplexität ist jedoch nicht eindimensional sondern ein mehrdimensionales Problem. Der Komplexitätsgrad kann durch die Kombinationen mehrer Ausprägungen der verschiedenen Komplexitätsdimensionen definiert werden. So kann beispielsweise der Komplexitätsgrad 1 durch 60 Kunden, 200 Varianten und 1000 Teile als auch 70 Lieferanten definiert werden. Wenn ein Unternehmen die Komplexität nun abbauen will, kann es beispielsweise die Varianten um 150 oder die Teile um 100 reduzieren. Es ergeben sich Probleme dahingehend, daß sich jedoch die Ausprägungen in mehrfacher Hinsicht verändern. So werden oftmals die Teile abgebaut, wenn gleichzeitig die Varianten verringert werden. Dadurch kann es vorkommen, daß sich die Lieferanten ebenfalls verringern, die Anzahl der Kunden jedoch erhöht. So scheint die Komplexität in erster Linie reduziert zu sein, jedoch lässt sich somit nur schwer ein Grad für den Abbau an Komplexität bestimmen. Die Situation wird, wie am vorherigen Beispiel verdeutlicht, sehr undeutlich, wenn der Grad an Vielschichtigkeit sinkt und ein anderer Grad steigt. Sinkt nun die Komplexität gesamt, bleibt sie gleich oder steigt sie an? Es wird also deutlich, daß ein eindeutiges Maß an Komplexität nicht vorhanden ist. Es ergeben sich folglich enorme Probleme bei der Darstellung der Wirkungen von Komplexität auf der Kosten- und Erlösseite. Damit dennoch Aussagen über die ökonomischen Wirkungen gemacht werden können, ist letztendlich nur diese Art der Komplexitätsmessung über Kunden-, Teile- oder Variantenzahl sinnvoll.
2.5 Wirkungen von Komplexität
In Bezug auf die ökonomischen Wirkungen besteht jedoch ein zweites Problem. Es ist nicht sinnvoll, die Variantenzahl zu vergrößern um in Folge dessen anzunehmen, daß dadurch auch die Beschäftigung steigen wird. Traditionelle Kostenfunktionen gehen von dieser Annahme aus, zeigen jedoch nicht die Wirkung der Variantenzahlen auf die neu entstandenen Kosten. Vielmehr bilden sie eher einen kombinierten Beschäftigungs- und Komplexitätseffekt ab. So machen Aussagen über die Wirkung von Komplexität nur dann Sinn, wenn die anderen Determinanten sich auch von den Kosten beeinflussen lassen, jedoch nicht verändert werden. Wirft man einen Blick auf die Praxis, so erkennt man schnell, daß sich diese Bedingung nicht einhalten lässt. In der Regel beeinflussen die Kosten auch weitere Faktoren. So können durch einen Anstieg der Komplexitätsdimensionen auch Wirkungen auf die Beschäftigung etc. auftreten. Dennoch soll für die künftigen Überlegungen eine Restriktion vorgestellt werden, bei der sämtliche kostenbezogene Determinanten konstant gesetzt werden.
Die Erlös- und Kostenwirkungen lassen sich leicht an der Anzahl bestehender Varianten diskutieren. Zudem sind bezüglich der Komplexitätskosten Überlegungen bei der Kundenanzahl oder der Teilezahl anzustellen. So sind mit einer wachsenden Variantenanzahl in der Regel auch steigende Erlöse verbunden. Auf diesem Weg können neue Kunden gewonnen werden. Jedoch wachsen die Erlöse nur unterproportional mit der Komplexität.
Einerseits sinkt mit jeder zusätzlichen Variante die Zahl der zusätzlich akquirierten Abnehmer, andererseits treten sogenannte Kannibalisierungseffekte ein. Neue Produkte werden schnell als Standardprodukte von Seiten des Kunden ausgemacht, sodaß schnell Spartenprodukte oder Spezialprodukte entstehen. Hingegen gehen alte Standardprodukte zurück.
Schaut man auf die Kostenwirkungen so lässt sich feststellen, daß die Komplexitätskosten einige unvorteilhafte Eigenschaften beinhalten. So tritt der größte Teil der Kosten zunächst mit einer zeitlichen Verzögerung auf. Es kommt am Anfang zu Entscheidungen auf operativer Ebene. Dadurch steigt der Komplexitätsgrad. Weitere dieser Entscheidungen ziehen Engpässe in der Koordination nach sich, sodaß in Folge dessen durch einen Anstieg der Rüst-, Lager- und Verzugszeiten die Opportunitätskosten ansteigen. Daraus resultieren taktische Anpassungsentscheidungen im Management oder in der Informationsverarbeitung. Bei Letzterem werden beispielsweise leistungsfähigere DV-Systeme für die Bestandssteuerung eingerichtet, es werden weitere Mitarbeiter eingestellt oder neue Tools in Bezug auf die Steuerung, die Datenverarbeitung, das Controlling etc. eingesetzt. Diese Maßnahmen führen erst langfristig zu sprungfixen Kosten. Die Kostenwirkungen aufgrund des Anstiegs der Komplexität werden in der Praxis oft unterschätzt. So erscheint es, daß eine Kundenanpassung zunächst nur mit geringen Kosten verbunden ist. Kommt jedoch dann ein Engpaß aufgrund dieser Spezialanfertigung hinzu, betrifft dies auch andere Bereiche der Produktion, sodaß indirekte Zusatzkosten entstehen. Auftretende Engpässe erfordern wiederum weitere Kapazitäten an Informations- und Managementfähigkeiten, sodaß noch mehr Komplexität entsteht.
Für den Fall, daß die Komplexitätskosten erst einmal entstanden sind, lassen sie sich nur unzureichend wieder abbauen. Dieser Effekt wird als Kostenremanenz bezeichnet und weitet ein Unternehmen in seiner Komplexität und der damit verbundenen Varianz weiter aus. Es entsteht somit ein Spiraleffekt, bei dem der Koordinationsbedarf ansteigt, der wiederum die Kosten und die Komplexität erhöht. Dadurch erhöht sich wiederum der Bedarf an zusätzlichen Informations- und Managementkapazitäten, was letztendlich wieder zu einem Anstieg der Komplexität führt. So ist es aus Sicht der Unternehmer oftmals nur mit marginalen Kosten verbunden, wenn eine einzelne Anpassung vorgenommen wird. Jedoch tritt der nächste Engpass sehr schnell auf und führt zu einem weiteren Informations- und Managementbedarf. Um diese Spiralentwicklung zu vermeiden, ist es unabdingbar, die Anzahl der Varianten und die damit verbundenen Managementkapazitäten wieder zu verringern. Dies impliziert auch die Verringerung von Informations- und Steuerungssystemen im Unternehmen. Es sind Maßnahmen im Management notwendig, damit die Komplexitätskosten wieder abgebaut werden können. Dabei geht es nicht darum, blind zu versuchen, sämtliche Kosten wieder abzubauen, vielmehr ist es wichtig, neue Kosten aktiv zu vermeiden. Komplexitätskosten werden in der Literatur vielfach als Gemeinkosten verstanden. Dies stellt sich als logische Konsequenz heraus, da Komplexität nicht einzelnen Produkten oder Bereichen des Unternehmens zugeordnet werden kann. Zwar werden durch gezielte Maßnahmen Anpassungen bestimmter Bereiche erforderlich, jedoch ist das Kostenniveau weitgehend fix bis zu einem nächsten sprungartigen Anstieg. Die Kostenrechnung ist aufgrund dessen nicht die richtige Entscheidungsgrundlage für operative Maßnahmen. Vielmehr sind an dieser Stelle flexible Investitionsrechnungen notwendig, um die Gestaltung und Steuerung der Komplexität greifbar zu machen. Die traditionelle Kostenrechnung kann lediglich die Kostenwirkungen der Investitionsentscheidungen nachzeichnen und die entstandenen Kosten mehr oder weniger gut verwalten. Die Kosten steigen progressiv bei einem Anstieg der Komplexität an. Zudem steigen die Stückkosten. Hier gibt es zwei Effekte, die näher beschrieben werden sollen. Zum einen steigen die Komplexitätskosten bei Einführung einer zusätzlichen Variante. Diese Kosten fallen in der Regel in den Bereichen der Neuproduktentwicklung an. Hierunter fallen letztendlich auch Vermarktungs- und Markteintrittskosten der neuen Produkte. Auf der anderen Seite entstehen Kosten für die Erweiterung von Engpässen, die auf einen starken Koordinationsbedarf zurück zu führen sind. Zusätzlich zu diesen Kosten kommen weitere bezüglich der Unterauslastung hinzu, die im Rahmen der ablaufbedingten Stillstandzeiten oder der Rüstzeiten aufgrund einer zu hohen Anzahl von Varianten entstehen. Weiterhin können sinkende Stückzahlen bei den Aufträgen zu geringeren Auftragsvolumina als auch zu einem damit verbundenen Rückgang der Beschäftigung führen. Die steigenden Gesamtkosten in Verbindung mit einem Rückgang der Beschäftigung führt letztendlich zu einer überproportionalen Steigerung der Durchschnittskosten. In Bezug auf die Stückkosten spricht man deshalb von einem umgekehrten Erfahrungskurveneffekt. So kann eine Verdopplung der Variantenzahl die Stückkosten um bis zu 30% anwachsen lassen. Abbildung 3 verdeutlicht die nach Dietrich / Johanwille dargestellten Verläufe der Erlöse und Kosten in Bezug auf die Komplexität.1 Die in Abbildung 3 dargestellten Verläufe sind jedoch nur ungefähre Abbildungen der wirklichen Verläufe in den Unternehmen. Hier wird lediglich eine Tendenz dargestellt. In der betrieblichen Praxis ergeben sich schleichende Verzögerungen der Kostenverläufe, sodaß diese letzendlich gar nicht mehr verursachungsgemäß zugerechnet werden können. Des weiteren werden sprungfixe Kosten geglättet. Somit bilden die Kurven lediglich ein im Rahmen der Lehre idealen Verlauf ab. Jedoch kann an ihnen eindeutig die Wirkung der Komplexitätsfalle erkannt werden. So stehen den überproportionalen Kosten lediglich degressive Erlöszuwächse gegenüber. Ab einer bestimmten kritischen Menge von Varianten steigen die Kosten und der Gewinn sinkt. Es handelt sich bei den Komplexitätskosten um sprungfixe Gemeinkosten. Diese sind in der Regel nicht einer einzelnen Produktart oder einer Variante zugeordnet. Folglich sind diese Kosten kurzfristig nicht zu beeinflussen und somit die Folge taktischer Anpassungsmaßnahmen. Der Anstieg der Komplexität führt letztendlich immer zu einer Verschiebung der Kostenstrukturen in den Gemein- und Fixkostenanteil. Es ergibt sich das Problem, wie die Kosten in der Kostenrechung letztendlich zugeordnet werden sollen. So muß das Management stets darauf achten, daß das Kostenrechungsverfahren nicht in die Komplexitätsfalle führt.
3 Voraussetzungen für ein erfolgreiches Komplexitätsmanagement
Damit der Komplexitätsgrad eines Unternehmens erfolgreich beurteilt werden kann, bedarf es zweckmäßiger Instrumente aus dem Bereich des Controllings. Diese kann das Management nutzen, um Entscheidungen einzubeziehen, die die organisatorische Gestaltung als auch den erforderlichen Koordinationsbedarf des Unternehmens wesentlich reduzieren. Damit die Vorteile der komplexitätsbezogenen Maßnahmen erfolgreich beurteilt werden können, bedarf es eines proaktiven, vorausschauenden Denkens. Hier muß das Management lernen, umzudenken. So sollte anstelle der Krisenbewältigung das Denken weitaus vorher, bei der Krisenvermeidung anfangen. Es sollte nicht im Nachhinein versucht werden, die gestiegenen Kosten, die durch Missmanagement entstanden sind, zu reduzieren, vielmehr sollte bereits im Ansatz versucht werden, diese Kosten gar nicht entstehen zu lassen. Dabei bedarf es einer unternehmerischen Gesamtsicht auf den Betrieb. Hier sollten die Entscheidungen nicht soweit dezentral übergeben werden, daß dem Headmanagement der Überblick verloren geht. Zudem müssen die einzelnen Bereiche über die Folgen ihrer Einzelentscheidungen unterrichtet werden. Hier bedarf es einem funktionsübergreifendem, vernetzten Denkens, welches sich durch Web 2.0 Technologien gut realisieren lässt. Beispielsweise sollten die Entscheidungen der Anzahl an Varianten oder Teilen nicht von einer Fachabteilung wie dem Vertrieb alleine entschieden werden. Wenn überhaupt, sollten weitere Fachabteilungen in diese Entscheidung mit eingebunden werden. Viel sinnvoller erscheint es jedoch, der Unternehmensleitung in Verbindung mit dem Strategischen Management diese Entscheidung zu überlassen. Auch ist ein hierarchisches Planungssystem denkbar, bei dem die generelle Entscheidung über die Komplexität der obersten Entscheidungsebene vorbehalten wird. Hierbei bleibt es dem jeweiligen Unternehmen überlassen, ob es ein Top-Down oder ein Bottom-Up Entscheidungsverfahren anwenden möchte. Die operative Entscheidungsverantwortung sollte jedoch im Middle Management liegen, da sonst das Top-Management überlastet wäre. Hier könnten vom Strategischen Management Rahmenbedingungen vorgegeben werden, die jedoch in konkreten Aufgaben und nicht in einem nichts sagenden analytischen Umfeld wie etwa erhöhe den Gewinn oder maximiere die Differenz zwischen Umsatz und Kosten kommuniziert werden. Vielmehr sollten Aussagen wie erhöhe den Gewinn um 100 oder erhöhe die Differenz zwischen Umsatz und Kosten um 30. Hier können kostengestützte Controllinginstrumente helfen, die Vorgaben zu erledigen. Jedoch sollte die oben angesprochene Dezentralisierung von Entscheidungen nicht zu stark forciert werden, da hier Schnittstellenprobleme als auch Kommunikationsprobleme auftreten können. Die einzelnen Teilprozesse müssen insoweit miteinander in Verbindung stehen, daß sie ein möglichst übergreifendes Denken erlauben. Dies ist jedoch nur dann realisierbar, wenn die Arbeitsinhalte der einzelnen Bereiche integriert werden. Es sollten also Kopplungen zwischen den einzelnen Bereichen entstehen. Schaut man auf die im Unternehmen herrschenden Prozesse, so müssen auch hier Kopplungen bestehen, die die Koordination erleichtern. Hier müssen Anfangs- und Endtermine abgestimmt werden, die in Bezug auf knappe Ressourcen entscheiden, was wann und wo eingesetzt wird. Eine autarke Entkopplung der Prozesse ist hingegen nur möglich, wenn jeder Bereich über einen Einkauf, Produktion, Verkauf, Lagerhaltung etc. verfügt. Aber selbst dann wird durch das Head-Management mit finanziellen Vorgaben zu rechnen sein. Viele Prozesse erlauben aufgrund ihrer geringen Größe gar keine Entkopplung und sind somit an das System gebunden. Bestehen Verflechtungen zwischen den Prozessen, sollten sich die Kräfte selbst koordinieren. Hier kann das Kanban-Prinzip sinnvolle Hilfe leisten.
Es lässt sich festhalten, daß sich durch die Wahl der Organisationsform die Koordinationskomplexität aufbaut. Der Umfang der Komplexität hängt in entscheidendem Maße von der Zahl der Entscheidungen als auch der zu erreichenden Ziele ab. Die Ziele, die vom Head-Management beschlossen wurden, sollten auf die nachfolgenden Entscheidungsebenen im operativen Management übertragen werden. Jedoch kann es vorkommen, daß diese mit der Bewältigung der Aufgaben im Rahmen des Komplexitätsmanagements überlastet sind. Dies kann dadurch reduziert werden, indem die einzelnen Bereiche des Unternehmens gekoppelt sowie in den Entscheidungsprozess mit eingebunden werden.
4 Komplexitätsreduktion im Unternehmen
Wie bereits oben erwähnt, wirken sich viele Bereiche des betrieblichen Handelns und des strategischen Entscheidens auf die Komplexität des Unternehmens aus. Dies kann die Wahl der Kundenstruktur, der Umfang des Rahmenprogramms, also die Anzahl der Varianten, die Wahl des Produktkonzepts, die Wahl der Fertigungstiefe als auch die Wahl des technischen Produktionskonzeptes sein. Damit diese Komplexität besser von den Betrieben beherrscht werden kann, bedarf es der Gestaltung der im Unternehmen vorhandenen und anfallenden Informationen sowie Steuerungskonzepten zur logischen Kopplung von Schnittstellen im System.
Die Kundenkomplexität kann soweit reduziert werden, wenn sich ein Unternehmen im Zuge der ABC Analyse lediglich auf einen Bereich konzentriert und bereits B Kunden nicht mehr versorgt. Der Hochpreisbereich bei Sportfahrzeugen wie Porsche oder Lamborghini ist hier ein gutes Beispiel. Hier werden lediglich zahlungskräftige A Kunden beliefert. Es sollte jedoch beachtet werden, daß C Kunden sehr schnell zu A Kunden werden können.
Die Teilekomplexität kann durch Standardisierungsmaßnahmen und vereinheitlichte Produkte in Variantenform reduziert werden. Die innerbetriebliche Logistik vereinfacht sich somit und die Lagerbestände können verringert werden. Positive Effekte gehen zudem von einer verringerten Fertigungs- und Entwicklungstiefe aus. Somit wird der Koordinationsaufwand aus dem Unternehmen heraus verlagert. Den oftmals spezialisierten Zulieferern gelingt die Koordination der Abläufe besser, da sie frei von den organisatorischen Hemmnissen des zu beliefernden Unternehmens agieren können. Die Unternehmen sollten sich im Zuge ihrer Produktion auf ihr Kerngeschäft beschränken und Spezialisten die Fertigung von komplexen Bauteilen überlassen. Jedoch sollte ein Single Sourcing entstehen, das heißt, es sollten nicht zu viele Betriebe mit dem Outsourcing beauftragt werden, da dies die Komplexität des eigenen Unternehmens nur wieder aufbaut.
Das Fertigungssystem sollte sich nicht an der Philosophie maximaler Flexibilität orientieren. Oftmals besteht Irrglaube daß die Weisheit in der Flexibilität der Anlagen besteht, die eine unnötige Variantenzahl produzieren können. Eine partielle Fertigungsanlage hat durch die eingebrachte Spezialisierung gegenüber flexiblen Maschinenkonzepten zahlreiche Vorteile. Diese sind im größeren Output als auch in der geringeren Fehlerquote und der höheren Zuverlässigkeit zu suchen. Denkbar ist somit eine Trennung in eine Standard- und Flexibilitätsfertigung. Jedoch müssen hier die Standardteile die Kosten der teureren Technologie in der Flexibilitätssteuerung oftmals mittragen. Der Vorteil besteht jedoch darin, daß hier die Produktion stabiler Standardprodukte ungestört neben der Flexibilitätssteuerung laufen kann. Somit muß auf Spezialprodukte nicht verzichtet werden, da diese auch nicht die Money Maker unterbrechen.
Ist durch entsprechende komplexitätsreduzierende Maßnahmen ein gewisser Grad an Einfachheit erreicht, kann die Restkomplexität durch Informations- und Steuerungssysteme gemanagt werden. Die Informationssysteme sollten jedoch nicht kostentreibend für das Unternehmen sein. Hier muß eine Kosten- / Nutzenanalyse zunächst die Vor- und Nachteile abwägen, bevor letztendlich über den Einsatz entschieden wird. Damit die Dominanz zentraler Steuerung nicht Fehlentscheidungen auf operativer Ebene verursacht, sollte eine Kombination von zentraler und dezentraler Steuerung realisiert werden.
Es ist also festzuhalten, daß es zahlreiche Wege zur Komplexitätsreduzierung im Unternehmen gibt. Sei es über die Reduzierung von Varianten, Mitarbeitern, Lagerbeständen oder Bauteilen. Wichtig ist, daß das Unternehmen nicht in einer Komplexitätsspirale landet, aus der es nur sehr schwer wieder herausfindet. Es ist somit wichtig, daß die Komplexität im Unternehmen erst gar nicht ausufert. Dies ist letztendlich die beste Art der Komplexitätsreduktion.