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Interview mit Wolfgang Grupp – Trigema

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Wir müssen ein Wachstum vom Produkt her sehen, in der Innovation“ Wolfgang Grupp, alleiniger Inhaber und Geschäftsführer im Gespräch mit Dr. Eckehard Krah.

Dr. Eckehard Krah: Welche Bedeutung hat nachhaltiges Management im Unternehmen für Sie?

Wolfgang Grupp: Herr Dr. Krah, ich habe zwar auch studiert und ich habe die Theorie auch irgendwann einmal durchgearbeitet, nur organisiere ich mein Unternehmen mit meiner Volksschulbildung. Normal, einfach, simpel.

Wenn ich diese Frage nun nehme, dann ist das eine Frage die ich beantworten kann, aber das muss ich als Unternehmer schon machen, wenn ich ein Egoist und Kapitalist sein will.

Sie verstehen: wenn ich sage, ich pflege mein Auto, dann tue ich das nicht der Umwelt zuliebe, sondern dann tue ich das mir zuliebe, weil es dann länger hält und ich mehr dafür im Wiederverkauf bekomme. Ich betreibe nachhaltiges Management nicht weil ich jetzt Umweltaktivist bin oder weil ich sage: dem Standort Deutschland geht es schlecht, sondern weil ich mehr Erfolg und Gewinn haben will.

Dr. Eckehard Krah: Nun sind viele Unternehmen gerade nicht im nachhaltigen Management aktiv, wenn wir in Richtung Bangladesh schauen …

Wolfgang Grupp: Nun, sie dürfen dies auch nicht so verstehen. Wenn ich sage: in Bangladesh wird irgendetwas gemacht, dann ist dies ein kurzfristiges Denken, dann liegt die Schuld bei den Unternehmen, die sich in diesen Regionen engagieren und die Hersteller vor Ort so erpressen, dass die dann wiederum ihre Mitarbeiter aus der Not heraus weiter erpressen müssen.

Also wenn ich sage: ich habe nur einen Kunden, dann müsste ich in der Not viele Dinge machen, die ich unter normalen Aspekten nicht machen würde. Die Schuld liegt dann bei den Unternehmen in Deutschland beziehungsweise bei denen in Bangladesh, wenn das Unternehmen vor Ort kurzfristig mehr Gewinn haben möchte. Aber langfristig haben diese Unternehmen damit kein Glück, wenn nämlich dann die besten Leute das Unternehmen verlassen und die schlechten bleiben.

Dr. Eckehard Krah: Nun steht die Modebranche nicht gerade für ökologisches und soziales Bewusstsein, ändert sich dies auch in anderen Unternehmen oder werden Sie auch in Zukunft als Ausnahme gelten?

Wolfgang Grupp: Nun ich sehe mich selber als Ausnahme, wenn Sie das so sagen können. Nur müssen Sie mir erst einmal ein Unternehmen nennen, welchem es in der Vergangenheit besser gegangen ist. Ihrer Frage entnehme ich, dass Sie mich indirekt fragen wollen, warum ich nicht rausgehe und hier in Deutschland bleibe.

Nun sage ich zu Ihnen: weil ich ein Egoist bin und weil ich Geld verdienen will und es mir gut gehen sollte. Nennen Sie mir ein Unternehmen in meiner Branche dem es besser gegangen ist, nachdem es seine Arbeitsplätze verlagert hat. Ich frage Sie: Schiesser, Jockey, Götzburg, Scharmer? Alle sind sie pleite gegangen. Da werde ich doch jetzt auch nicht raus gehen um auch pleite zu gehen.

Man muss doch erst einmal sehen, dass die ganze Verlagerung im Prinzip nichts bringt. Sie wollen doch nicht meinen, dass ein Daimler mit etlichen Werken im Ausland oder ThyssenKrupp – sie kommen ja aus Siegen, da sind sie ja näher an ThyssenKrupp dran – ob die jetzt mit ihrem Engagement im Ausland so viel Geld verdient haben oder ob sie eigenes Geld in Deutschland verdient haben.

Das Problem ist einfach wenn ich heute sage: ich exportiere nach China, dann bin ich „in“. Wenn ich sage: ich habe keinen Export, ich produziere und verkaufe nur in Deutschland, dann bin ich ein Dümpler, dann bin ich eine Flasche, ich habe die Welt nicht erobert.

Fragen sie mich, sie wollen doch nicht meinen, dass Amerika für mich ein Vorbild ist. Denn alle Kriege, die diese Nation angefangen hat, sind doch sinnlos gewesen. Aber es gehört auch ein Machtmensch dazu, indem er sagt: ich führe gegen dich Krieg. Ob er dann am Schluss drauf legt oder nicht, ist dann eine andere Frage.

Die Gier und der Größenwahn. Das ganze Problem ist, dass die Leute, die es entscheiden, nicht mehr selbst bezahlen. Ich – im Unterschied zu denen – entscheide und bezahle alles selbst.


Dr. Eckehard Krah: Welche Trends zeichnen sich derzeit in der Textilindustrie im Nachhaltigkeitsmanagement ab?

Wolfgang Grupp: Meine Meinung ist, dass wir in Europa oder Deutschland generell Arbeitsplätze brauchen und zwar produktive Arbeitsplätze.

Wir müssen das Wachstum nicht in Umsatzwachstum sehen, sondern im Wachstum des Produktes, das muss also innovativ sein. Das heißt, ich habe in einer Globalisierung keine Konkurrenz in dem Sinne. Der Chinese ist kein Konkurrent für mich, sondern ein Kollege. Der liefert die Billigwaren oder die einfachen Produkte und wir liefern die innovativen, höher stehenden Produkte. Wir sind Kollegen.

Wenn Sie 10 000 weiße T-Shirts wollen – 0/8/15 – dann mache ich ihnen gar kein Angebot. Dann sage ich Ihnen: gehen Sie zu meinem Kollegen nach China, der macht es ihnen billiger. Wenn Sie aber sagen: sie wollen die 10000 T-Shirts innerhalb 24 Stunden dann können Sie mit dem Chinesen nicht arbeiten, dann müssen Sie mit mir arbeiten. Dann biete ich Ihnen eine Flexibilität oder aber ich biete Ihnen heute 117 Stück und morgen 117 Stück, so wie sie das brauchen und eine entsprechende Qualität.

Also wir brauchen in Deutschland unsere Produktionsarbeitsplätze. Nur vom Abzocken oder Beraten wird Europa nicht zukunftsorientiert existieren können. Und wir sind das auch unseren Mitmenschen schuldig. Denen müssen wir einen Arbeitsplatz bieten, unserer Jugend. Wenn wir England anschauen mit ihrer Finanzgeschichte und so weiter. Zwanzig Prozent Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit, Spanien mit fünfzig Prozent und so weiter, das sind die Folgen.

Wir brauchen Produktionsarbeitsplätze in allen Produktsparten. Es kann nicht sein, dass eine Branche sagt: wir sind nicht mehr produzierbar. Alle Branchen müssen produzierbar sein. Also müssen wir in der Textilindustrie andere Produkte machen als die Billiglohnländer. Wir müssen höherwertige Produkte machen und zwar innovative Produkte. Das nenne ich dann Wachstum. Ein Produkt muss in der Innovation wachsen und nicht der Umsatz muss wachsen.


Dr. Eckehard Krah: Nun stellt sich die Frage in Bezug auf die Lieferfähigkeit. Nun haben Sie große Lagerkapazitäten. Das bindet natürlich auch Kapital.

Wolfgang Grupp: Das ist alles eine sinnlose Rechnerei. Nun frag ich Sie: 22 Prozent sind bei mir Einkauf. So haben wir natürlich Eigenstrom aber wir kaufen das Gas usw. Garn, Knöpfe, Reisverschlüsse, Faden u.s.w.

Ich habe 78 Prozent Wertschöpfung und damit 52 Prozent Löhne. Und wenn ich heute sage, ich muss 1 000 000 Euro ans Lager arbeiten und die Löhne als fix sehe, dann heißt das, ich muss 220 000 Euro ins Lager stecken, dann bekomme ich meine Fixkosten von 780 000 in Form von Warenlager, die ich dann retten kann. Meine Aufgabe ist es nur, dieses Lager irgendwann zu verkaufen.

Wenn ich aber nicht produziere, dann spare ich 220 000 Euro und verliere 780 000 Euro Gemein- oder Fixkosten weil die Leute Gehalt bekommen aber nichts tun. Und das ist das fatale. Das muss die Hochlohnlandindustrie wissen. Von Daimler oder von den Automobilindustrien haben sie in den letzten Jahren nichts gehört, weil die Nachfrage angeblich groß war. Die Bänder waren voll. Vor drei Jahren haben sie gehört, da haben sie gesagt, dass die Löhne zu teuer sind. Die Bänder waren aber nicht voll.

Wenn die auf Lager produziert hätten vor drei Jahren, dann hätten Sie jetzt die Probleme nicht gehabt mit Lieferverzug oder Kapazitätsengpass. Ich glaube nicht dass das stimmt, sie tun jedenfalls so. Und jetzt frage ich Sie, was das Lager kostet. Ich bekomme heute für Festgelder…lassen sie es ein Prozent sein. Nun kosten mich dann 1 000 000 Euro etwa 10 000 Euro Zinsen. Ich rette aber 520 000 Euro Lohn, den ich theoretisch, wenn ich richtig produziere – und irgendwann habe ich dann wieder mehr Nachfrage, als ich produzieren kann – wieder realisieren kann. Da brauche ich doch über dieses eine Prozent – und wenn es fünf oder sieben Prozent wären – nicht zu diskutieren.

Also das heißt, diese ewige Lean Production mit ihrem „möglichst keinem Lager, das kostet Geld, das bindet Kapital“ das ist für mich ein Irrsinn. Ich habe keine Aktien von einem anderen Unternehmen. Ich kaufe auch keine Aktien von irgendeinem anderen Unternehmen. Sondern ich habe 100 Prozent Eigenkapital bei mir und bei mir ist alles bezahlt. Und damit habe ich eine Flexibilität und kann kurzfristig kaufen und auf das Lager produzieren und machen und brauch mich nicht von irgendeinem Fuzzi von einer Bank abhängig machen zu lassen.

Im Grunde genommen haben sie Herr Dr. Krah recht. Wenn ich sage, die Gelder kosten 10 Prozent und ich bekomme Aufträge genug, dann brauche ich nicht auf Lager zu arbeiten. Dann ist alles sinnlos, was ich am Lager habe. Das könnte ich ja dann verkaufen. Nur wenn ich die Kapazitäten nicht voll habe und hier Leute sitzen habe, die alleine vom Umsatz 52 Prozent Lohn bekommen und jetzt im Prinzip auch so tun, als ob sie beschäftigt sind und in Wirklichkeit nur die Hälfte tun, dann arbeiten die für mich wenn ich zusätzlich für das Lager arbeite umsonst, weil die ja sonst nichts tun würden und Gehalt empfangen würden.


Dr. Eckehard Krah: Nun bieten viele Unternehmen Kurzarbeit an.

Wolfgang Grupp: Ja, Kurzarbeit heißt für mich, dass ich Steuergeldern hinterher jage und ich bekomme das mitfinanziert, aber der Strom bei mir im Gebäude brennt und die Leute arbeiten weniger. Die Heizung läuft und die Leute arbeiten weniger. Die Maschine wird abgeschrieben, sie wird weniger wert, weil sie unmoderner wird und sie arbeitet nicht. Kurzarbeit ist für mich negativ. Also muss ich – allerdings auf mein Risiko – an das Lager arbeiten. Produziere ich dann das richtige und kann ich das ein Jahr später verkaufen oder ein halbes Jahr später, ist das ok. Produziere ich das falsche, weil ich blöd bin, ok, ja, dann brauche ich auch kein Geld verdienen.

Also sie verstehen mich. In Europa haben wir eine Sättigung. Sie wollen doch nicht meinen, dass Sie Bedarf haben, dass ihnen etwas fehlt. Sie bekommen in Deutschland alles, was Sie wollen. Also haben wir einen gesättigten Markt. In einem gesättigten Markt die Kapazitäten zu erhöhen, bedeutet ruinösen Wettbewerb. Ich kann nur meine Kapazität verkaufen, indem ich es billiger mache als die Konkurrenz und wir machen uns gegenseitig die Geschäfte schlecht. Also muss ich die Kapazitäten auf keinen Fall erhöhen und damit muss ich flexibel werden. Ich lebe heute davon, dass wir Aufträge bekommen weil wir eine Qualität produzieren, weil wir im Prinzip gewisse Artikel haben, die interessant sind. Aber wir bekommen auch Aufträge weil wir der Einzige sind, der liefern kann.

Und das ist heute das Entscheidende. Und wenn sie heute sagen: ich bekomme morgen bei mir Zuhause fünf Gäste, es ist Abends sechs Uhr, die Läden haben zu und Sie wissen ein Laden am Bahnhof hat noch offen, dann geht ihre Frau dahin und dann fragt sie nicht „ist das Fleisch zu teuer“ oder „ist das oder das …“ sie ist froh, dass sie es bekommt.


Dr. Eckehard Krah: Und das ist ja gerade bei chinesischen Herstellern der Fall. Dort gibt es Lieferzeiten von 2 Monaten bis hin zu einem viertel Jahr.

Wolfgang Grupp: Und genau das ist der Aspekt den wir nutzen müssen. Nun soll ich Aktien von einem anderen Unternehmen kaufen und gleichzeitig keinen Lagerbestand aufhäufen? Mein Lagerbestand hingegen ist genau meine Kapitalanlage. Damit kann ich Umsatz machen und Geld verdienen. Aber mit den Aktien eines Anderen bin ich ja abhängig davon ob er Mist baut oder nicht. Also ich kaufe keine Aktien, keine Anleihen nichts. Wir haben nur Festgelder und da ist es mir egal, ob ich ein Prozent bekomme oder 0,8 Prozent oder 1,5 Prozent. Das interessiert mich nicht.

Natürlich wähle ich das, wo ich am meisten bekomme. Aber mir geht es darum, dass ich flexibel bleibe. Wissen sie, ich mache heute mein Geld auch im Einkauf. Das heißt, wir bezahlen jede Rechnung – wir verhandeln nicht über Valuta oder sonst etwas.

Wenn ich heute eine Maschine bestelle, dann verhandeln wir diese. Und wenn wir sie richtig verhandelt haben und den niedrigsten Preis haben, dann bekomme ich die Sache. Mein Einkauf verhandelt vor. Und dann sage ich als Beispiel die Maschine kostet 100 000 und diese hat ein halbes Jahr Lieferzeit, dann mache ich einen Vorschlag. Wir einigen uns, sie bekommen den Auftrag mit 90 000 Anzahlung sofort, sie schicken die Rechnung und liefern in einem halben Jahr. Es kann sein, dass wir uns dann auf 92000 einigen. Dann habe ich jedoch acht Prozent heruntergehandelt, in einem halben Jahr hätte ich sowieso bezahlen müssen, also ist das 16 Prozent Verzinsung. Und da brauche ich nicht darüber zu sprechen, ob ich am Kapitalmarkt ein, zwei oder drei Prozent bekomme.

Und deshalb haben wir Festgelder und alles was wir benötigen, wird sofort bezahlt. Und dadurch bekomme ich Sonderkonditionen, die mit Festgeldern überhaupt nicht zu vergleichen sind.


Dr. Eckehard Krah: Zahlreiche Unternehmen betreiben ein sogenanntes „Green Washing“ ihrer Produkte. Da werben Unternehmen mit nachhaltig hergestellten Trinkflaschen mit lebenslanger Garantie, die dann im asiatischen Raum produziert werden und dann hier her transportiert werden und folglich eine schlechte CO2-Bilanz aufweisen. Wie beurteilen Sie ein solches Verhalten in Bezug auf reales, ernst zu nehmendes nachhaltiges Management?

Wolfgang Grupp: Gut, da muss ich ehrlich sein. Da kann ich Ihnen nichts dazu sagen, weil es am Markt immer Betrüger gibt die dann etwas nutzen oder dem Markt etwas vormachen, was nicht stimmt. Die Leute haben Rindfleisch verkauft und drin war Pferdefleisch. Was wollen Sie dagegen machen? Das nenne ich die Aufgabe der Politik. Die muss die Leitlinien geben und die muss die Richtungen angeben und sagen: „Das ist Made in Germany und das ist Nachhaltigkeit“. Wenn das aber „Waschi Waschi“ ist, wo jeder reinschreiben kann und alles, dann ist das ein Versagen der Politik.


Dr. Eckehard Krah: Wie kann ein Endkunde zwischen Storytelling und glaubwürdigem Engagement unterscheiden?

Wolfgang Grupp: Wenn ich sage „das ist Made in Germany“ und der Gesetzgeber hat Richtlinien für Made in Germany vorgegeben, dann kann der Endkunde oder Mitbewerber dies bei einem Verstoß anzeigen. Das ist das gleiche, wenn auf der Autobahn 100 Km/h vorgegeben ist und sie schneller fahren, kann sie jemand anzeigen und sagen: „der ist 140 Km/h gefahren“. Es muss also eine Richtlinie dar sein.


Dr. Eckehard Krah: Es stellt sich nur die Frage, ob die Unternehmen sich dann auch an diese Richtlinien halten.

Wolfgang Grupp: Also wenn die Geschwindigkeitskontrollen machen können – oft so sinnlos wie nur etwas – dann müssen sie das auch kontrollieren. Das halte ich für wertvoller als wenn eine Großmutter in der Kurve herausgeflogen ist und dann müssen alle gestandenen Autofahrer 80 Km/h fahren obwohl sie mit 160 Km/h in die Kurve gehen könnten. Da kontrollieren sie ja auch. Also ich meine, das ist Aufgabe der Politik. Die Politik braucht nicht in die Wirtschaft eingreifen, die muss aber die Rahmenbedingungen schaffen, damit eine faire Marktwirtschaft existieren kann.


Dr. Eckehard Krah: Welche Rolle spielt der Konsument beim Aufkommen von nachhaltigem Management? Letztlich verleitet ein Angebot zu entsprechendem Verhalten. Kann ein Kunde wirklich die Nachfrage beeinflussen oder konsumiert er letztlich doch das, was angeboten wird?

Wolfgang Grupp: Also in dem Moment, wo ich als Gesetzgeber „Wischi Waschi“ zulasse, hat der Verbraucher keine Chance. Verstehen Sie? Also wenn ich sage, sie können zwischen 60 Km/h und 120 Km/h fahren und dann kann Niemand sage, warum fährt der 80 Km/h? Also der Gesetzgeber hat keine klaren Richtlinien aufgestellt, also kann der rasen oder nicht rasen. Also in einer marktfairen Marktwirtschaft muss es Gesetze geben, sonst beschweißen Alle.


Dr. Eckehard Krah: Wie sehen Sie das mit der Kundenverantwortung im nachhaltigen Konsum?

Wolfgang Grupp: Ich halte von der Kundenverantwortung nichts. Der Kunde muss keine Verantwortung zeigen. Das halte ich für falsch. Wenn sie mir sagen: Herr Grupp, ich habe Gemüse im eigenen Garten angepflanzt und das verkaufe ich ihnen und mache ein Schild da draußen hin << aus Biolandschaft >>, dann muss ich ihnen glauben können. Es kann aber nicht sein, dass ich sage: das glaube ich nicht und ich schaue erst einmal da rein. Das ist Aufgabe des Gesetzgebers. Ich darf auch nicht etwas werben, was nicht stimmt. Ich darf ja nicht sagen, was nicht stimmt, verstehen sie. Das ist Aufgabe des Gesetzgebers.

Ich finde es auch falsch, dass jemand sagt: ich kaufe die Ware nicht, wenn die aus Bangladesh kommt. Dabei kann die Ware aus Bangladesh ja Top in Ordnung sein. Nur das ist Aufgabe des Imports oder sonst wo, dass diese Kriterien vorausgesetzt und dann auch eingehalten werden. Und wenn ein Unternehmen in Bangladesh produziert, dann muss es diese Standards einhalten. Nur der Verbraucher muss das nicht festlegen.

Wenn ich sage: Das ist 100 Prozent Baumwolle und das ist mein Eigenetikett, dann ist es nicht ihre Aufgabe das in ein Institut zu schicken und zu prüfen, ob das auch so ist. Ich muss angezeigt werden können, dass ich im Prinzip falsche Aussagen gemacht habe.


Dr. Eckehard Krah: In zahlreichen Produkten ist eine geplante Obsoleszenz eingebaut, die die Lebenserwartung beabsichtigt reduziert. Viele Unternehmen sind hiermit äußerst erfolgreich. Nun zeichnen sich Ihre Produkte gerade durch Langlebigkeit und Strapazierfähigkeit aus. Wie bleiben Sie erfolgreich im Geschäft, wenn Ihre Produkte so lange halten?

Wolfgang Grupp: Ich bekomme und halte gerade meine Kunden, weil sie mit der Qualität zufrieden sind und weil die Produkte langlebig sind. Ich kann mir selbst schaden. Also wenn ich sage, ich kaufe eine Glühbirne und die hat eine Garantie von einem Jahr oder was weiß ich und danach geht sie kaputt, dann erkläre ich mich einverstanden, dass ich damit rechne, dass die nach einem Jahr ausgetauscht werden muss. Dann kaufe ich die aber nicht mehr, wenn ein anderes Produkt langlebiger ist.

Ich habe mich ja eingeschränkt. Wenn ich sage, nach der Obsoleszenz ist mein Produkt kaputt, dann wird das gekauft, solange kein besseres Produkt da ist. Also wenn ich eine Waschmaschine kaufe und die hat zwei Jahre Garantie und nach den zwei Jahren ist diese prinzipiell kaputt, dann werde ich beim nächsten Mal eine von einer anderen Marke kaufen. Und wenn diese dann drei Jahre oder länger hält, hat das andere Unternehmen keine Chance mehr. Also ich glaube, das regelt der Markt.


Dr. Eckehard Krah: Oft wird nachhaltig konsumiert, weil sich der Endkunde ein reines Gewissen erkaufen will. Gibt es weitere Anreize für das Unternehmen wie auch für den Konsumenten zum nachhaltigen Konsum?

Wolfgang Grupp: Also gut, wir haben ja auch die Nachhaltigkeit und wir stellen fest, dass das Cradle2Cradle, diese Richtung immer stärker Fuß fasst. Aber wir haben generell auch natürlich die Erfahrung gemacht, dass das automatisch für uns eine super Werbung ist, dass ich nur am Standort Deutschland produziere. Weil viele Leute reinkommen und sagen, wir wollen Sie unterstützen weil sie die Arbeitsplätze in Deutschland halten.

Also ich bin kein Sozialseusler. Vielmehr bin ich ein Egoist und ein Kapitalist. Nur ich weiß, wenn es mir gut gehen soll, muss es meinem Umfeld gut gehen. Und je besser ich meine Mitarbeiter behandle, desto mehr tun die was ich sage und je mehr helfen die mir Gewinne zu machen und arbeiten entsprechend für mich.

Je schlechter ich meine Mitarbeiter behandle, desto mehr bescheißen die mich oder versuchen aus dieser Zange heraus zu kommen. Also das ist ein Geben und Nehmen. Und deshalb müssen wir schauen, dass wir unsere Kunden – die uns letztlich mit ihrem Kauf unterstützen – nicht enttäuschen.

Also als Beispiel hieß es früher, wenn man einen Mercedes kauft, dann hat man eine Lebensversicherung. Fährt man an einen Baum, dann steigt man noch einigermaßen aus. Kauft man einen Opel, dann ist man vielleicht tot. Also das war so. Und das ging so lange bis der Mercedes dann nicht mehr so sicher war. Also damals hat man es mit der Sicherheit noch soweit gehalten.

Letztlich tut man alles für sich selber. Natürlich kann man das untergraben, aber irgendwann kommt es dann zu Tage und dann ist der Schaden groß.


Dr. Eckehard Krah: Was sind nach Cradle2Cradle in der Zukunft die nächsten Schritte, die Sie einleiten wollen, um weiterhin nachhaltige Produkte zu produzieren?

Wolfgang Grupp: Was ich in 10 Jahren mache, kann ich heute nicht sagen. Da müssen sie mich erst einmal fragen, ob ich dann überhaupt noch lebe. Also ich kann ihnen sagen was ich bis gestern Abend gemacht habe. Aber ich kann ihnen nicht sagen, was ich morgen mache. Ich weiß ja gar nicht ob Fukushima bei uns morgen in Deutschland eintritt oder sonst etwas. Also das kann ich ihnen nicht sagen. Ich werde Cradle2Cradle – ich bin ein Egoist – solange machen und solange forcieren, solange der Verbraucher es will. Und wenn der Kunde morgen sagt: „ich kaufe nur noch Cradle2Cradle“, dann habe ich gar keine andere Wahl als nur noch Cradle2Cradle zu produzieren. Aber solange der Verbraucher das andere bei mir noch stark nachfragt, kann ich nicht 100 Prozent Cradle2Cradle machen.


Dr. Eckehard Krah: Welche Rolle spielt der Konsument beim Aufkommen von nachhaltigem Management? Letztlich verleitet ein Angebot zu entsprechendem Verhalten. Kann ein Kunde wirklich die Nachfrage beeinflussen oder konsumiert er letztlich doch das, was angeboten wird?

Wolfgang Grupp: Nein, Sie müssen das so sehen. Natürlich kauft der Kunde das, was angeboten wird. Selbstverständlich kann er das nur kaufen. Aber es gibt Leute, die ganz speziell Cradle2Cradle wollen, dann gibt es Leute die das aus Versehen kaufen, weil die das gar nicht merken dass das etwas anderes ist. Und die kaufen das halt, weil die das T-Shirt sehen und ihnen das gefällt. Und dann gibt es Leute, die bewusst Cradle2Cradle nicht kaufen, weil die Einlaufwerte bei naturbelassener Ware etwas höher sind, als beim typischen Industriekunden. Letztere können gar kein Cradle2Cradle kaufen, da die das mit 75 Grad waschen müssen und da wäre der Einlaufwert zu hoch. Außerdem ist das etwas teurer und die müssen dann auf den Preis schauen und so weiter. Also es gibt verschiedene Argumente.


Dr. Eckehard Krah: Wie ich gehört habe, haben Sie zusammen mit Herrn Professor Braungart Cradle2Cradle in Ihrem Unternehmen eingeführt. Waren Sie hier initiativ tätig oder ist Herr Braungart mit seinen Ideen zu ihnen gekommen?

Wolfgang Grupp: Sie wollen mir jetzt nicht eine gewisse Intelligenz unterstellen, die ich nicht habe. Also der Herr Professor Braungart ist zu mir gekommen und der hat ja das Prinzip entwickelt. Er hat mich – weil er weiß, dass ich hier Alles selber im eigenen Hause herstelle und damit das Cradle2Cradle hier am besten durchführen kann – gefragt, ob er mit mir das entwickeln kann. Denn ich bin ja auch kein Professor, der entwickelt. Wir entwickeln ja auch nicht Funktionsgarn oder sonst etwas, das machen Institute oder sonst Irgendwer, die das dann für die Spinnereien irgendwo entwickeln.


Dr. Eckehard Krah: Wie laufen bei Ihnen Innovationen ab? Binden Sie Kunden mit in den Gestaltungsprozess ein?

Wolfgang Grupp: Also wir haben jetzt hier keine zukunftsorientierten Geschichten, also das machen ja Andere. Das heißt, wir hören am Markt, was irgendwo kommt und dann übernehmen wir das gegebenenfalls. So machen wir beispielsweise selber kein Garn, das kaufen wir zu. Und ich kann ja keine Entwicklung machen, die mein Garnhersteller nicht vormacht. Also wenn ich jetzt sage: sie wollen ein Funktionsshirt das den Schweiß nach außen trägt, dann komme ich ja nicht auf die Idee vor dreißig oder vierzig Jahren. Aber dann entwickelt irgendein Forschungsinstitut, welches irgendwo beauftragt ist für High Tech Sportler oder was weiß ich. Und dann geht das irgendwo in den Markt und dann macht das Irgendeiner und dann hört man, dass es das gibt und dann machen wir das auch. Dann bekommen wir das Garn mit entsprechend neuen Funktionen und Vorteilen ja auch angeboten. Und dann sagen wir: Ok, das probieren wir einmal.

In der Entwicklungsabteilung in der Gestaltung sind wir auch nicht diejenigen, die eine Mode machen. Die Mode machen die Franzosen oder die Italiener und dann wird das irgendwann in Paris oder Mailand gezeigt und ein Jahr später geht es dann runter in unsere Branche. Wir entwickeln auch keine Farben, da passen wir uns an. So sehen wir beispielsweise in der obersten Modelinie eine Farbe Braun, dann machen wir das auch.


Dr. Eckehard Krah: Also ist das Benchmarking auf Basis einer reinen Marktbeobachtung?

Wolfgang Grupp: Ja genau. Dies ist aber auch bei anderen Unternehmen so. Sie müssen jetzt nicht meinen, dass Daimler alles entwickelt. So erfährt Daimler von Bosch, dass es Dieses oder Jenes gibt und dann wird das ausprobiert. Das ist immer ein Geben und Nehmen.


Dr. Eckehard Krah: Ist die Wirtschaft oder auch ein Unternehmen von ständigem Wachstum abhängig?

Wolfgang Grupp: Das sehe ich ganz anders. Viele verstehen Wachstum unter Umsatzwachstum und das ist tödlich. In einer bedarfsgedeckten Wirtschaft bedeutet Wachstum immer billiger zu werden und in einem ruinösen Wettbewerb zu enden. Oder aber ich mache dem Billiglohnland Konkurrenz. Das werde ich aber auf Dauer nicht können, dann muss ich verlagern. Ich sehe das Wachstum, indem mein Produkt wächst. Ich halte die Kapazität – wenn ich eine Kapazität von 100 habe, dann bleibt die – und ich gebe rechtzeitig Produkte, die in der Zwischenzeit auch im billigen Ausland billiger gemacht werden, ab. Dafür muss ich dann innovative Produkte wieder oben ansetzen. Ich bleibe jetzt einmal dabei: ein Funktions T-Shirt oder ein Cradle2Cradle Produkt, das die nicht können und damit habe ich ein innovatives Wachstum aber kein Umsatzwachstum. Und damit bekomme ich wieder einen besseren Preis und kann den Hochlohn bezahlen. Aber mit einer ruinösen Billigkonkurrenz die alle das Gleiche machen, kann ich den Hochlohn nicht bezahlen.


Dr. Eckehard Krah: Also sondern Sie sich komplett vom Markt ab?

Wolfgang Grupp: Natürlich! Das ist ja eine Idiotie, dieses Wachstum nach Umsatz zu verlangen. Wir müssen ein Wachstum vom Produkt her sehen, in der Innovation. Das brauchen wir. Das Auto, was der Daimler vor zwanzig Jahren als tolles, innovatives Auto hergestellt hat, macht ja in der Zwischenzeit der Chinese auch. Also muss er wieder ein besseres machen. Das sehen sie ja in der Automobilindustrie konstant. Wenn sie jetzt hören, die neue S-Klasse oder was weiß ich, was die alles hat, verstehen sie, das hat halt der Chinese nicht. Aber in zwanzig Jahren hat er das auch. Also müssen wir dann irgendwie ein Flügel am Auto haben, dass wir abheben können.

Ich sage ja: die Automobilindustrie hat versagt. Denn sie hat sich auf den Lorbeeren viel zu lange ausgeruht. Dass das Benzin oder das Öl knapp war, das wussten wir schon in den siebziger Jahren, da gab es ja einen autofreien Sonntag. Und der war ja Horror, dass man plötzlich sagte: am Sonntag darf man kein Auto fahren. Und da wurde man ja schon vorgewarnt, dass wir Ölknappheit haben. Und es ist nichts geschehen. Erst in letzter Zeit hat man das Elektroauto forciert. Das hätte bereits vor dreißig oder vierzig Jahren kommen müssen. Dann würden wir heute in der Welt ein super Elektroauto präsentieren und die ganze Welt müsste bei uns kaufen.


Dr. Eckehard Krah: Der Verbrennungsmotor ist über 100 Jahre alt. Was ist daran noch innovativ?

Wolfgang Grupp: Ja genau. Die haben sich auf den Lorbeeren ausgeruht anstelle eine konstanten Weiterentwicklung zu forcieren. Öl ist knapp, wir müssen weg vom Öl und hin zu Hybrid oder Elektro oder was auch immer. Das hätte vor dreißig Jahren geschehen müssen. Und das ist das, was ich übel nehme. Ich darf nicht aufhören mit Innovationen.

Als Professor Braungart in mein Unternehmen kam, da müssen sie nicht meinen, dass meine Leute gejubelt haben und mir diese Schnapsidee mit Cradle2Cradle da abnehmen wollten. Da wusste ich ja, dass ich da erst einmal Geld reinstecken muss und gar nicht weiß, ob da jemand kommt und das später überhaupt kauft. Ich habe gesagt, das ist etwas, wo ich mich abheben kann und das kein anderer kann, weil er die Produktionsebene einfach nicht hat.

Das ist eine Sache, wo wir uns präsentieren können, wo wir mindestens am Anfang mit Sprüchen Werbung machen können. Ohne dass ich jetzt groß im Produkt Geld verdiene. Ich kann ja auch Geld verdienen in der Werbung, indem die Presse etwas aufgreift oder mir kostenlose Werbung bietet. Und da habe ich entschieden, obwohl meine Mitarbeiter überhaupt nicht begeistert waren. Das war mir aber egal, ich habe gesagt: ich bezahle die Rechnung und ich mache das. Und heute ist das für uns eine tolle Sache.

Dr. Eckehard Krah: Vielen Dank für das Gespräch!

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